Agni-Magazin
Frühjahr 2022
Deines Lebens!
Du bist der Architekt
Deines Lebens!
Ein jahreszeitliches Editorial zum freudvollen Leben
für ein freudvolles Leben!
Von Michael Nickel
Immer mal wieder kommt die Frage hoch: „Warum gibst Du eigentlich jeden Monat wieder und wieder eine neue live-Stunde Tiefenentspannung mit Yoga Nidra, wenn man doch immer mit derselben Aufzeichnung üben könnte?“ ( … schließlich stehen zum Beispiel bei meinen Stunden die Aufzeichnungen immer 3-4 Wochen für die Teilnehmerinnen und Teilnehmerzur Verfügung …) – Also: Gute Frage! – Und es gibt auch zwei gute Gründe dafür, eben NICHT dauernd mit derselben aufgezeichneten Anleitung Tiefenentspannung zu üben, sondern immer wieder live (und mit neuen Aufzeichnungen) zu praktizieren – und dabei trotzdem bei derselben Technik zu bleiben:
Das Ziel ist im Grunde auch, über die kleinen Variationen etwas über uns selbst und unsere energetischen Variationen zu lernen. Was brauchen wir? Was tut uns gut? – Um dann aus dieser Erkenntnis heraus immer das zu finden und zu tun, was uns im Leben positiv zur Seite steht.
Aktuell im Fokus
Lesedauer 7 Minuten
Von Pandit Rajmani Tigunait
Wenn gewaltfreie Instinkte von negativen, gewalttätigen Kräften überlagert werden, wird ein Mensch noch weitaus gefährlicher als alle Kreaturen in der Wildnis. Glücklicherweise kommt so etwas relativ selten vor – nur ein Bruchteil der Menschheit verkrüppelt die eigenen menschlichen Tugenden, indem es die gewalttätigen Tendenzen des inneren Tieres nährt. Gewalt ist eine Anomalie, und alle Gesellschaften haben Methoden, um offenkundig gewalttätige Individuen vom Rest von uns zu isolieren.
Der Mensch ist im Normalfall nicht gewalttätig. Selbst das Verletzen oder Töten unserer Feinde vermeiden wir üblicherweise. Und doch treffen andere diese Entscheidungen in unserem Namen. Die Frage ist: Wer sind diese anderen? Sind sie wirklich so anders als wir? Sind sie nicht unsere Vertreter? Als unsere Vertreter müssen sie in gewisser Weise das vertreten, was wir fühlen. In gewisser Weise sind wir alle in Gewalt verwickelt. In gewisser Weise suchen wir sie und haben Freude an ihr, sonst wären Krieg und Blutvergießen nicht so weit verbreitet.
Gewalt kann nicht abgeschafft werden, indem man jemand anderem die Schuld zuschreibt. Wir können sie nur beenden, indem wir unsere eigenen Gedanken und Gefühle durchleuchten. Wir Menschen sind Meister der Selbsttäuschung. Um nicht auf die Stimme unseres eigenen Herzens zu hören, um die Last der Schuld zu verringern und um unsere unmenschlichen Taten zu rechtfertigen, finden wir großartige und distanzierende Worte, um unser Handeln zu beschreiben. So verwenden wir beispielsweise das Wort „Opfer“, um einen verstümmelten oder getöteten Menschen zu bezeichnen. Psychologen zufolge erlauben uns solche Worte, uns mit Beschreibungen von Gewalt zu arrangieren. Die Begriffe „Kollateralschaden“ und “ Bombenteppich“ sind weitere Beispiele. Diese Begriffe werden verwendet, um die Fakten zu beschönigen, damit die Zivilbevölkerung nicht in Panik gerät und ein Ende der Gewalt fordert.
Inspirierendes in Kriegszeiten
Lass uns ein wenig mit Zahlen und Zuständen weiterspielen. Letzte Woche haben wir uns mit den 18 Kategorien des Friedens aus dem Sri Vidyarnava Tantra beschäftigt. Wenn es so viele Arten oder Aspekte des Friedens gibt, muss es dann nicht auch etliche verschiedene Aspekte geben, die uns den Frieden rauben? – So ist es! Klingt logisch und wenn sich Yogis über das unterhalten, was uns den Frieden raubt, werden dabei regelmäßig die fünf Kleshas aus Yoga Sutra 2.3 – 2.9 zitiert:
Avidya – die Unwissenheit über unser wahres Selbst.
Asmita – die Identifikation mit etwas, bzw. unsere Selbstidentifikation im Bezug auf Äußeres und Inneres.
Raga – Vorliebe, Zuneigung zu etwas.
Dvesha – Abneigung gegen etwas.
Abhinivesha – Die Angst vor der Vergänglichkeit und dem Sterben.
Wer mich kennt, der weiß, dass ich jetzt stundenlang über den letzten Punkt – Abhinivesha – sinnieren und philosophieren könnte. Aber darum soll es gar nicht gehen. Wie so oft im Yoga Sutra handelt es sich bei den Kleshas um übergeordnete Konzepte, die auf den ersten Blick abstrakt erscheinen, weil sie im größtmöglichen Zusammenhang des menschlichen Geistes philosophisch betrachtet werden. Doch konkreter wird es wieder einmal, wenn wir im Zusammenhang mit den Kleshas in die tantrische Philosophie schauen. Das Netra Tantra etwa listet 14 psychische Zustände auf, die uns den Frieden rauben, weil sie eher dysfunktional sind. Diese wollen wir heute einmal näher betrachten. Ganz im Sinne von: „Kenne Deinen Feind“ … Selbst wenn er im Innern lauert und viel mit Punkt 1 von oben zu tun hat: Avidya, der Ignoranz uns selber gegenüber. Doch der Reihe nach …
Frieden, Frieden, Frieden – für uns alle und die ganze Welt!
Unsere Beiträgsauswahl für Dich: Schwerpunkt Shanti – Frieden im Innen und Außen
Übungen und Aspekte, die gut tun
Inspirierendes und Interessantes für Dich aus der Welt von Yoga, Meditation, Achtsamkeit, Lebenssinn und Lebensglück, Philosophie, Spiritualität, Ayurveda und Wohlbefinden.
Frühjahr 2022:
ZeitpunktVom Mitleiden in das Mitfühlen kommen und daraus Stärke ziehen, die Welt besser zu machen
Lesedauer 10 Minuten
Von Michael Nickel
Wenn ich derzeit mit Familie, Freunden und Bekannten spreche, kommt immer wieder ein Thema hoch: Der ungeheure, menschenverachtende Krieg in der Ukraine und die daraus resultierenden Gefühle von Ohnmacht, Wut und Trauer, mit denen viele derzeit kaum zurecht kommen. Das in unseren Medien nahezu in Echtzeit übertragene grausame Kriegsgeschehen und vor allem das unermessliche Leid der vielen Menschen, die weltweit direkt oder indirekt von diesem Krieg betroffen sind, macht uns anscheinend kollektiv fertig. Das Schicksal und Leid der unzähligen traumatisierten Flüchtenden rührt unser Herz an und hat eine Welle der Hilfsbereitschaft ausgelöst. Doch gleichzeitig bringen viele zum Ausdruck, dass es ihnen nahezu unmöglich ist, eine innere Distanz zu diesem Geschehen zu bekommen.
Es mag zunächst seltsam klingen, sich innerlich von den Geschehnissen der Wellt zu distanzieren. Das klingt nach Kaltherzigkeit, nach Kopf in den Sand stecken, nach Rückzug von der Realität. Doch ist es das wirklich, wenn wir innerlich einen Schritt zurücktreten? – Nicht unbedingt, zumindest nicht, wenn wir dies im konstruktiven Sinne betreiben. Sind wir doch mal ehrlich zu uns selbst: Was viele von uns momentan fühlen ist Mitleid im wörtlichsten Sinne – wir leiden selber, weil wir nicht aushalten können, zu sehen, dass andere Menschen leiden. Wir leiden, weil wir nicht aushalten können, zu sehen, wozu andere Menschen in der Lage sind. Wir leiden kollektiv so stark, dass der Schmerz schon beinahe greifbar ist.
Was entsteht aus Schmerz?
Aus Schmerz entstehen Angst und Wut, wenn wir den Schmerz nicht heilen können. Aus Angst und Wut entsteht eine tiefe Aggression, die nur weitere Aggressionen nach sich zieht. Aufrüstung, mehr Waffen, mehr Mauern, mehr Konflikte, mehr leidende Menschen, mehr Mitleiden … Wir drehen uns dabei im Kreis, im Großen, wie im Kleinen. Was ist also der Ausweg?
Der Ausweg beginnt im Kleinen bei uns, indem wir das Mitleid in Mitgefühl transformieren. Was sich wie eine sprachliche Spitzfindigkeit anhört, ist in Wirklichkeit ein augenöffnender Luxus der deutschen Sprache: Zwei Worte, die im Allgemeinverständnis synonym klingen, aber zwei vollkommen konträre Weltsichten in sich tragen. Mitleid führt, wie wir gesehen haben dazu, dass wir selber leiden. Jedes Leid, das uns plagt, entzieht uns unsere Kraft, etwas in der Welt zu verändern. Wenn wir mitleiden, dann gehen wir der Selbstentmachtung auf den Leim! Mitgefühl ist das genaue Gegenteil! Mitgefühl lässt uns erkennen, wo Leid in der Welt herrscht, aber anstelle uns in das Mitleiden hinein ziehen zu lassen, regt uns Mitgefühl zum Nachdenken an.
Vom Mitleiden in das Mitfühlen kommen und daraus Stärke ziehen, die Welt besser zu machen