Fünf einfache Yoga-Übungen für nachhaltigen Frieden im Kopf
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Von Rolf Sovik
Eines frühen Morgens vor vielen Jahren fuhren meine Frau und ich in der Dunkelheit zum Gipfel des Cadillac Mountain in Maine. Wir fuhren zu einem Ort, von dem man uns gesagt hatte, dass wir die ersten Sonnenstrahlen an der Ostküste sehen könnten. Nachdem wir das Auto geparkt hatten, gingen wir mit der Taschenlampe zu einer offenen Fläche und ließen uns auf einer Decke nieder, um auf den Sonnenaufgang zu warten. Doch schon bald stellten wir fest, dass das Ereignis nicht so ruhig sein würde, wie wir erwartet hatten. Viele andere Sonnenanbeter umgaben uns, und Lachen und Stimmengewirr erfüllten die Dunkelheit. Auch Tabakrauch hing in der stillen Luft, und da nur wenig Platz zwischen den einzelnen Gruppen war, hörten wir den Gesprächen zu, als wären wir ein Teil von ihnen. Die Stimmen wurden immer lauter, als sich neue Leute zu den bereits Versammelten gesellten. Der Berg brummte und es schien, als würde sich der mystische Moment, den wir erwartet hatten, in eine laute Party verwandeln.
Dann geschah es. Die Sonne erschien. Lichtstrahlen brachen über den Horizont, und die Landschaft unter uns tauchte langsam aus der Dunkelheit auf. Als die Schatten der Nacht verschwanden, wurde es still um uns herum. Die Zigaretten wurden ausgedrückt, das Lachen verschwand und das Drama der Morgendämmerung spielte sich in einem Raum ab, den wir nun mit unseren Augen messen konnten. Im zunehmenden Licht wurde der Berg still, und eine heitere Stille umfing uns.
Mentales Geschnatter zum Schweigen bringen
Unser Verstand ahmt häufig die Menschenmenge auf dem Cadillac Mountain nach. Isoliert, gefangen von unseren Gewohnheiten und Sorgen, warten wir eher geistesabwesend auf das Erscheinen eines höheren geistigen Lichts. In der Zwischenzeit plappert unser Verstand weiter, unsere Gedanken werden von vorübergehenden Emotionen und Wünschen auf den Bildschirm unseres Bewusstseins geschleudert.
Glücklicherweise müssen wir unser mentales Leben nicht auf diese Art und Weise leben. Trotz des Geplappers des Verstandes winkt uns die Stille zu. Beruhigend, erfrischend, erholsam – Stille spricht das Herz an und bringt Erleichterung sowohl von der Aufdringlichkeit der äußeren Angelegenheiten als auch von den unaufhörlichen Stimmen, die in uns aufsteigen. Zeiten der Stille reinigen den Gaumen des Geistes, lassen ihn ruhen und machen ihn bereit für neue Unternehmungen, sowohl im Inneren als auch im Äußeren.
Während der Yoga- und Meditationspraxis bemerken selbst Anfänger eine Verschiebung hin zur Stille – ihr Geist wird durch ein Gefühl der Ruhe entlastet. Doch die ersten Eindrücke von Stille im Yoga führen allmählich zu der Erkenntnis, dass für dauerhaften Frieden viele Schichten geistiger Aktivität verdaut werden müssen.
Fünf Stufen der Praxis können uns helfen, eine tiefere Ebene der inneren Stille zu erreichen:
Erstens: Körperbewusstsein
Zweitens: Körper- und Atembewusstsein kombiniert
Drittens: Atembewusstsein allein
Viertens: Atmung kombiniert mit Mantra
Fünftens: Mantra allein
Schauen wir uns jeden dieser Schritte genauer an.
Einfacher Yoga für innere Gelassenheit
Der Weg zur inneren Stille beginnt mit der Ausübung von Asanas. Asanas helfen uns dabei, uns wieder mit unserem Körper zu verbinden und das verbale Geschnatter zur Ruhe zu bringen. Sie bieten genau die richtige Kombination aus körperlichem Einsatz und innerem Feedback, um unsere Aufmerksamkeit zu halten. Wenn unsere Energien gesammelt und auf einfache Körperhaltungen fokussiert sind, nimmt die Intensität der mentalen Ablenkungen ganz natürlich ab.
Die Körperhaltungen bewirken eine subtile Veränderung des Geistes. Er wird nicht mehr durch eine unkonzentrierte Kette von Assoziationen von Gedanke zu Gedanke gezogen, sondern ersetzt das laute Denken durch die relativ stille Arbeit des Dehnens, Kräftigens, Verlängerns, Ausrichtens und Integrierens. Wie ein Musiker, der ganz in den Klang seiner Musik vertieft ist, fokussiert die Asanapraxis den Geist so gründlich, dass andere Erfahrungsebenen nicht eindringen können.
Mit schlichtem Yoga Körper und Atem wieder in Einklang bringen
Der beruhigende Einfluss der Asanapraxis wird vertieft, wenn die Haltungen mit der Atmung verbunden werden. Hebe deine Arme zur Seite und dann über den Kopf. Du wirst wahrscheinlich feststellen, dass du einatmest. Wenn du dich auch nur ein wenig nach vorne beugst, wirst du wahrscheinlich ausatmen. Diese und viele andere Bewegungen koordinieren sich ganz natürlich mit der Atmung. Wenn du dir der Atmung und der Bewegung bewusst bist, werden ablenkende Gedanken weniger aufdringlich.
Das Bewusstsein für den Atem geht über das Bewusstsein für den Körper allein hinaus.
Manche Bewegungen sind jedoch zu schnell oder zu langsam, um sie direkt mit der Atmung in Einklang zu bringen. Wenn du zum Beispiel deine Arme vor und zurück schwingst, um die Schultergelenke aufzuwärmen, wirst du feststellen, dass die Bewegung zu schnell ist, um sie mit der Atmung zu verbinden. Wenn du zu einer sehr langsamen Bewegung übergehst oder die Haltung still hältst, verlieren deine Bewegungen wieder ihre direkte Verbindung zum Atem. Trotzdem kannst du sowohl den Körper als auch den Atem im Bewusstsein halten. Das Bewusstsein für den Atem geht über das Bewusstsein für den Körper allein hinaus. Er zieht sich wie ein roter Faden durch alle Phasen der Haltungsarbeit und bringt das Nervensystem und den Geist zur Ruhe.
Die Beobachtung des Atems macht uns die feinen Unterschiede zwischen unwillkürlicher Atmung, freiwilliger Atmung und unwillkürlicher Atmung bewusst. Unwillkürliche Atmung ist die Atmung, die wir im Allgemeinen nicht wahrnehmen. Sie fließt automatisch. Die freiwillige Atmung ist das Ergebnis einer bewussten Kontrolle. Wir benutzen sie, um zu sprechen, den Atem anzuhalten oder zu pfeifen. Die Atmung, die durch Schmerzen, Emotionen und Stress beeinflusst wird, wird manchmal als unfreiwillige Atmung bezeichnet. Einfache Beispiele sind die erzwungene Atmung bei Wut und die angespannte Atmung, die oft durch Stress verursacht wird.
Glücklicherweise können die tiefgreifenden Auswirkungen von Stress und emotionaler Reaktivität auf die Atmung beruhigt werden. Wenn du Stress in deiner Atmung wahrnimmst, kannst du sie verändern und eine ruhige, gleichmäßige Atmung wiederherstellen. Mit anderen Worten: Du kannst Angstgefühle und Schmerzen reduzieren, indem du tief und gleichmäßig atmest. Auf diese Weise führt die Atempraxis das Nervensystem und unseren Geist zur Stille.
Den Körper transzendieren
Wenn du eine Körperhaltung einnimmst, tragen deine Bemühungen, Körper und Atem zu koordinieren, zu einer natürlichen Verfeinerung deines mentalen Fokus und zu einer Vertiefung der inneren Ruhe bei. In Entspannungs- und Meditationsphasen übersteigt die Atembewusstheit die Körperarbeit völlig. Der Stoffwechsel verlangsamt sich und die körperlichen Anforderungen werden auf ein Minimum reduziert. Dann wird das Körperbewusstsein transparent (der Körper dringt kaum noch in unser Bewusstsein ein), und der Geist wird fast ausschließlich von den Empfindungen des Atems erfüllt. Dann wirst du die Kunst des mühelosen Atmens erlernen.
Die meiste Zeit fließt die Atmung unwillkürlich. Doch indem du dir des Atems bewusst wirst, ihn formst und ihn dann wieder in einen entspannten und mühelosen Fluss bringst, kannst du der ruhige Zeuge deines Atems werden. Das hilft, deinen Geist noch weiter zu beruhigen.
Während der Entspannung und Meditation werden äußere Ablenkungen und körperliche Unannehmlichkeiten stark reduziert. Die Ruhe des Geistes wird stattdessen durch Erinnerungen, Wünsche und Sehnsüchte gestört, die von innen kommen. Ein gleichmäßiger, entspannter Atem ermöglicht es, die Energie, die wir diesen Kräften geben, zu reduzieren – und in ihrer Gegenwart weniger reaktiv zu sein.
Entspannte Konzentration kultivieren
Letztlich wird der Geist jedoch nicht durch die Konzentration auf den Körper oder den Atem vollständig zur Ruhe gebracht. Die Körperhaltungen und die Atembewusstheit reduzieren das mentale Geschwätz, doch sie entspannen den Geist nicht vollständig. Um das zu erreichen, müssen wir den Prozess des Denkens noch tiefer im Geist treffen.
Dazu müssen wir dem Geist einen verbalen Fokus geben, eine innere Stütze, in der er sich ausruhen kann. In der Yogatradition wird dies durch die Verwendung eines Mantras erreicht. Die meisten Meditierenden beginnen mit dem Mantra so’ham (ausgesprochen „so ham“). Dieses Mantra soll der natürliche Klang des Atems sein und bedeutet „das reine und unendliche Selbst in mir – das, was ich bin.“ Indem wir das Mantra im Einklang mit dem Atem rezitieren („so“ beim Einatmen, „ham“ beim Ausatmen), erreicht unser Geist eine tiefere Ebene der Selbsterkenntnis.
Doch die Vorstellung, dass der Geist durch das Rezitieren eines Mantras zur Ruhe gebracht werden kann, mag widersprüchlich erscheinen. Wie kann das Rezitieren eines Mantras zur Stille führen? Die Antwort auf diese wichtige Frage besteht aus zwei Teilen. Erstens beruhigt ein Mantra den Geist auf die gleiche Weise, wie alle Formen entspannter Konzentration den mentalen Lärm reduzieren. Es ersetzt die Ablenkungen durch ein Objekt der Konzentration. Da dieses Objekt die Bemühungen des Geistes, ruhig zu werden, unterstützt, wird es im Sanskrit alambana genannt – ein unterstützender Faktor. Das Mantra lenkt die Aufmerksamkeit tief in den Geist, das heißt dorthin, wo die Gedanken entstehen, und nicht auf die Ebenen des Körpers oder des Atems. Mit dieser zentralen Unterstützung fühlt sich die Meditation besonders beruhigend an.
Dieser Artikel erschien auch in der Wisdom Library des Himalayan Institute, USA.
Deutsche Übersetzung von Michael Nickel und Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Himalayan Institute.