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Von Swami Rama

Wie viele tiefe, schöne und kraftvolle Künste und Wissenschaften hat auch Yoga unter der spirituellen Armut der modernen Welt gelitten – es wurde trivialisiert, verwässert oder auf Klischees reduziert. Die tiefe und ewige Essenz des Yoga wurde von cleveren Menschen falsch dargestellt und für den persönlichen Profit verpackt. Manche haben Yoga auf ein beliebiges weiteres Übungsprogramm reduziert. In anderen Zusammenhängen wurde Yoga als Kultreligion dargestellt, die „Anhänger“ anlocken soll. Um das klare und reine Konzept des Yoga ist ein derartiger Nebel der Verwirrung entstanden, dass es jetzt notwendig ist, Yoga neu zu definieren und seinen Sinn und Zweck zu klären.

Yoga definiert sich selbst als Wissenschaft, das heißt, als eine praktische, methodische und systematische Disziplin oder eine Reihe von Techniken, die das hehre Ziel haben, den Menschen zu helfen, sich ihrer wahren Natur bewusst zu werden. Das Ziel, dieses tiefste Potenzial zu erfahren, ist nicht Teil eines religiösen Prozesses. Es ist eine Erfahrungswissenschaft der Selbsterkenntnis. Religionen versuchen zu definieren, was wir glauben sollen, während eine praktische Wissenschaft wie die Meditation auf den konkreten Erfahrungen von Lehrern und Yogis beruht, die diese Techniken eingesetzt haben, um das tiefste Selbst zu erfahren. Yoga steht in keinem Widerspruch zu irgendeiner Religion und kann von allen Menschen praktiziert werden, egal ob sie sich als Agnostiker oder als Angehörige eines bestimmten Glaubens verstehen.

Yoga definiert sich selbst als Wissenschaft.

Im Laufe der Geschichte wurden yogische Techniken sowohl im Osten als auch im Westen praktiziert, daher wäre es ein Fehler, Yoga als „östlichen Import“ zu betrachten. Tatsächlich ist Yoga mit seinen kraftvollen Techniken, die ein Gefühl von innerem Frieden, Harmonie und Klarheit des Geistes schaffen, für die moderne Welt absolut relevant – sowohl im Osten als auch im Westen. Angesichts des zunehmenden Tempos und der Konflikte im modernen Leben mit all dem daraus resultierenden Stress könnte man sagen, dass Yoga zu einem überlebenswichtigen Werkzeug geworden ist, um die Kreativität und Freude in unserem Leben zu steigern. Weiterlesen

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Von Swami Rama

 

Im vorigen Teil des Beitrags findest Du eine Einleitung zu Raja Yoga von Patanjali.

Der Achtfache Pfad zum freudvollen Leben

Der größte Fehler, den Menschen auf der Suche nach Frieden und Glück machen, ist das Ignorieren der goldenen Gesetze eines gesunden Lebens: richtig essen, richtig atmen, richtig schlafen, richtig denken, Sinnesfreuden richtig genießen, richtig mit anderen interagieren und auf den höheren Zweck des Lebens konzentriert bleiben. Wenn du dich nicht an diese goldenen Gesetze eines gesunden und glücklichen Lebens hältst, wirst du weiterhin mit deinem persönlichen, familiären, beruflichen und sozialen Leben zu kämpfen haben. Egal wie intelligent du bist, du wirst ein Opfer von Faulheit und Trägheit bleiben. Trotz deiner Absichten, ein produktives Leben zu führen, wirst du unter einem Mangel an Ausdauer leiden. Du wirst mit einem schwachen Körper und einem zerstreuten Geist enden. Du wirst so viel Zeit und Energie damit verschwenden, mit einer langen Kette von Hindernissen zu kämpfen, die aus dem ungesunden Körper und dem unruhigen Geist entstehen, dass nur sehr wenig für die Arbeit an deinem Hauptziel übrig bleibt, sei es weltlich oder spirituell. Die Beseitigung von Hindernissen ist ein wichtiger Teil der Arbeit an deinem Hauptziel, weshalb die Einhaltung dieser goldenen Gesetze dir hilft, die Grundlage für ein freudvolles Leben zu schaffen. Weiterlesen

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Von Michael Nickel

Im letzten Gedankenfutter habe ich etwas vom „wunscherfüllenden Baum“ angedeutet. In der vedischen Mythologie und in der Yoga-Psychologie und Yoga-Philosophie wird dieser mythische Baum, der unsere Wünsche erfüllt, Kalpavriksha genannt. Vriksha ist das Sanskrit-Wort für Baum. Die Haltung des Baumes wird dementsprechend im Yoga als Vrikshasana bezeichnet. Das so nebenbei. Kalpa ist ein „mentales Konzept“. Man könnte auch sagen eine Idee oder ein Gedanke. Vielleicht kennst Du das Wort Sankalpa. Darin steckt genau dieses „mentale Konzept“. San ist ein Präfix, das „zusammen“ oder „auf gute Weise“ bedeutet. Ein Sankalpa ist also ein „konstruktives mentales Konzept“ – einfach gesagt: ein guter Vorsatz, dem unser Geist folgen soll.

Es gibt aber auch das Wort Vikalpa in der Yoga-Psychologie. Kurz gesagt ist es das genaue Gegenteil von Sankalpa. Vi ist ein Präfix, das „auseinander“, „hin- und her“ oder „zerteilen“ bedeutet. Dementsprechend ist Vikalpa ein „nicht-konstruktives mentales Konzept“. Auch die moderne Psychologie kennt dies: es wird dort „nichtkonstruktiver Glaubenssatz“ genannt. Und davon trägt jeder von uns eine Menge in sich …

Unsere Gedankenkonstrukte sind die Blüten auf unserem Baum des Lebens

Was hat das alles nun mit Kalpavriksha, dem wunscherfüllenden Baum zu tun? – Bildlich gesprochen geht es um den Baum der all unsere Kalpas – also unsere mentalen Konzepte oder schlicht Gedanken – als Blüten trägt. Wenn man so will ist es der Baum des Lebens in uns, der sich in vielfältiger Weise ausdrückt. Jede seiner Blüten hat wie im letzten Beitrag ausgedruckt seinen Raum (also seine „Eigenschaften“, wenn man so will), seine Zeit der Ausprägung und seine Ursache und Wirkumg also Karma). Das gilt sowohl für die offensichtlichen konstruktiven Sankalpa-Blüten als auch die nicht-konstruktiven Vikalpa-Blüten  und all die schwer einzuordnenden Blüten oder mentale Konstrukte, die irgendwo auf der Skala zwischen konstruktiv und nicht-konstruktiv stehen.

Ich vermeide hier bewusst die Worte „gut“ und „schlecht“. Zwar ist auch „konstruktiv“ und „nicht-konstruktiv“ wertend, doch eben nicht so stark. Um aktiv durch das Leben zu navigieren, bleibt uns letztenendes jedoch nichts anderes übrig, als unser eigenes Denken und Handeln auf der Skala zwischen konstruktiv und nicht-konstruktiv einzuordnen, um unsere Entscheidungen basierend auf dem aktuellen Stand unseres Bewusstseins zu treffen.

Warum heißt nun dieser Baum „wunscherfüllend“, wenn er doch konstruktive wie auch nicht-konstruktive Blüten treibt. Hier kommt eine Eigenschaft unseres Geistes zum tragen, die etwas schockierend klingt: Unser Geist „schenkt“ uns, worum auch immer wir ihn bitten! – „Moment mal!“, kannst Du hier sagen, „Ich bitte meinen Geist doch nicht um Vikalpas!“ – Die Antwort darauf lautet: „Das ist korrekt und zugleich auch nicht.“ – Es gilt also wieder mal ganz tantrisch: „Es kommt drauf an!“ – Auf was kommt es an? – Auf die Perspektive.

Die Krux der konstruktiven und nicht-konstruktiven Gedankenkonzepte in uns

Leider ist die Geschichte nicht ganz so einfach, wie es zunächst klingt. Oft wird es ja so dargestellt, dass wir uns nur genügend gute Vorsätze nehmen müssen und alles wird gut. Aber das stimmt eben nicht. Denn historisch gesehen hat jeder Mensch auch Vikalpas entwickeln, welche sehr tief sitzen. Jedes noch so konstruktive Gedankenkonzept findet so in uns eine „mentalen Gegenspieler“. Jegliche bewusst gewählten Sankalpas und unbewusst entwickelte Vikalpas arbeiten wie ein komplexes mechanisches Uhrwerk aus Zahnrädern miteinander und sie greifen ineinander. Dabei gilt: Je mehr Vikalpas aus unserer Vergangenheit vorhanden sind, desto öfter formen wir unbewusst noch mehr Vikalpas. Krass ausgedrückt: in dieser Situation geben wir unserem Geist die Freiheit, sich weitere nicht-konstruktive Gedanken zu wünschen und sich diesen Wunsch selber zu erfüllen … Wichtig dabei ist: Es gibt hierbei keine „Schuld“ für unsere Vikalpas. Dennoch können wir Verantwortung übernehmen und den Fokus darauf setzen Sankalpas zu pflegen.

Allerdings wird aus dem Baum des Lebens nicht von heute auf morgen jener wunscherfüllende Baum, der nur noch konstruktive Blüten trägt. Doch er hat das Potential dazu! Und hier fließt wieder die Analogie zum Gärtnern ein. Es existieren yogische Möglichkeiten, diesen Baum des Lebens im Garten unseres Geistes so zu hegen und zu pflegen, dass er immer mehr „herrliche Blüten“ – also konstruktive Kalpas, eben Sankalpas – trägt. Diese yogischen Techniken sind die Kontemplation (Vichara) und die Meditation im weitesten Sinne: von Atemachtsamkeit und Atemlenkung (Pranayama) über Sinnesrückzug (Pratyahara) und Konzentration (Dharana) zur eigentlichen völligen Absorption (Dhyana und Samadhi). Und auch Yoga Nidra fällt in diese Kategorie der Pflegemaßnahmen des Baumes des Lebens.

Zeit in „yogische Baumpflege-Maßnahmen“ investieren

So wie Obstbäume geschnitten werden, damit sie den angestrebten Fruchtertrag bringen – nicht zu viel, nicht zu wenig, nicht zu groß, nicht zu klein – so beschneiden die oben genannten yogischen „Pflegemaßnahmen“ oder Techniken kunstvoll den Baum des Lebens im Garten unseres Geistes, so dass immer mehr herrliche Sankalpas als Blütenpracht und Konsequenz daraus auftauchen – und immer weniger Vikalpas. Oder um es in der Analogie des Uhrwerks auszudrücken: wir wechseln die „Vikalpa-Zahnräder“ aus und ersetzen sie durch „Sankalpa-Zahnräder“. Dann läuft die Uhr nach und nach „konstruktiver“, um nicht zu sagen „besser“.

Lange Rede, kurzer Sinn: es lohnt sich, den Garten unseres Geistes zu hegen, zu pflegen und zu wässern. Darum nutze immer wieder das reichhaltige Angebot weit und breit, in den „Gärtnerclub“ eine der vielen Yoga– Stunden zu gehen, die überall auf der Welt für Dich da sind – für „Grundpflegemaßnahmen“ für den Garten Deines Geistes – und der Weg dahin führt über den Körper und die Energie in uns. Wenn das mal kein Grund ist, auf die Matte und das Meditationskissen zu gehen …

In diesem Sinne: weiter geht es im Club der mentalen Gärtner, lass Deinen Geist ergrünen und finde den wunscherfüllenden Baum in Dir.

Herzlichst,
Euer Michael