Schlagwortarchiv für: Atempraxis

Lesedauer 7 Minuten

Von Rolf Sovik

Eines frühen Morgens vor vielen Jahren fuhren meine Frau und ich in der Dunkelheit zum Gipfel des Cadillac Mountain in Maine. Wir fuhren zu einem Ort, von dem man uns gesagt hatte, dass wir die ersten Sonnenstrahlen an der Ostküste sehen könnten. Nachdem wir das Auto geparkt hatten, gingen wir mit der Taschenlampe zu einer offenen Fläche und ließen uns auf einer Decke nieder, um auf den Sonnenaufgang zu warten. Doch schon bald stellten wir fest, dass das Ereignis nicht so ruhig sein würde, wie wir erwartet hatten. Viele andere Sonnenanbeter umgaben uns, und Lachen und Stimmengewirr erfüllten die Dunkelheit. Auch Tabakrauch hing in der stillen Luft, und da nur wenig Platz zwischen den einzelnen Gruppen war, hörten wir den Gesprächen zu, als wären wir ein Teil von ihnen. Die Stimmen wurden immer lauter, als sich neue Leute zu den bereits Versammelten gesellten. Der Berg brummte und es schien, als würde sich der mystische Moment, den wir erwartet hatten, in eine laute Party verwandeln.

Dann geschah es. Die Sonne erschien. Lichtstrahlen brachen über den Horizont, und die Landschaft unter uns tauchte langsam aus der Dunkelheit auf. Als die Schatten der Nacht verschwanden, wurde es still um uns herum. Die Zigaretten wurden ausgedrückt, das Lachen verschwand und das Drama der Morgendämmerung spielte sich in einem Raum ab, den wir nun mit unseren Augen messen konnten. Im zunehmenden Licht wurde der Berg still, und eine heitere Stille umfing uns.

Mentales Geschnatter zum Schweigen bringen

Unser Verstand ahmt häufig die Menschenmenge auf dem Cadillac Mountain nach. Isoliert, gefangen von unseren Gewohnheiten und Sorgen, warten wir eher geistesabwesend auf das Erscheinen eines höheren geistigen Lichts. In der Zwischenzeit plappert unser Verstand weiter, unsere Gedanken werden von vorübergehenden Emotionen und Wünschen auf den Bildschirm unseres Bewusstseins geschleudert. Weiterlesen

Lesedauer 8 Minuten

Von Michael Nickel

Yoga und die Impulse meiner Lehrer haben mir eine seltsame Gabe beschert. Egal wo ich bin, ich nehme sofort die Atemmuster meiner Mitmenschen um mich herum wahr. Das kann ein ganz amüsanter und lehrreicher Zeitvertreib sein, etwa in der Straßenbahn. Es ist bei gut gelaunten Menschen eine sehr freudvolle Beschäftigung. Doch es kann zur Herausforderung werden, wenn ich Menschen begegne, die leiden. Lasse ich mich auf deren Atemmuster ein, können sich Abgründe auftun. Es ist ein riskantes Spiel! Mit einem Schaudern stelle ich mir vor, in diese Abgründe hineingezogen zu werden. Doch glücklicherweise passiert das nicht. Was mich davor schützt? – Die „fortgeschrittenste“ Pranayama-Übung, die mir meine Lehrer geschenkt haben: Samavritti Pranayama. Sama bedeutet „gleich“ und Vritti ist „Bewegung“. Der Name ist hier Programm: gleichförmige Atembewegung. Weiterlesen