Schlagwortarchiv für: Innerer Lehrer

Lesedauer 4 Minuten

Von Wolfgang Bischoff

Liebe Freunde,

wieder ist Vollmond am 30.8.2023 und wir vereinigen uns für eine Stunde weltweit mit lieben Seelen, die von 21-22 Uhr still werden und sich darauf besinnen, wer sie eigentlich sind. Wenn Du still wirst, dann beginnst Du nur Dich selbst zu sehen im Spiegel der Anderen oder im Spiegel der Stille. Immer klarer wird die Vorstellung von dem, was Du eigentlich nicht bist, und immer schemenhafter wird Dir deutlich wer und was Du eigentlich bist.

Ich möchte mit euch einen Text teilen, der auf sehr würdige Weise von einer Lerngruppe der 2. Studiengruppe „Zum Inneren Lehrer“ vorgetragen wurde :

Sprecher 1: Wer bist du?
Sprecher 2: Ich bin ein Mensch. Bin Körper, Atem, Geist – und Seele.

Sprecher 1: Wer bist du?
Sprecher 2: Ich bin ein Individuum mit Persönlichkeit.

Sprecher 1: Wer bist du?
Sprecher 2: Ich bin ein Konstrukt aus einzelnen Energiefeldern. (Bild enthüllen)

Sprecher 1: Wer bist du?
Sprecher 2: Ich bin vibrierende Energie, die sich permanent Sinne, Körper und Umgebung schafft.

Sprecher 1: Wer bist du?
Sprecher 2: Ich bin kraftvoller Geist.

Sprecher 1: Wer bist du?
Sprecher 2: Ich bin mein eigener innerer Heiler.
Sprecher 3: ( Klangschale)  Ein Gebet.

Unsere Körper sind Tempel des lebendigen Geistes. Sie sind geistige Substanz.
Alle unsere Körperteile sind in Harmonie mit dem lebendigen Geist in uns.
Das Leben dieses göttlichen Geistes durchströmt jedes Atom unseres Seins,
es belebt, kräftigt und erneuert jedes Teilchen unseres physischen Körpers.
Das existierende Bild der Vollkommenheit in unserem Innern ist jetzt wirksam
in jedem Organ, jeder Funktion, Aktion und Reaktion.
Unsere Körper sind von Gott erschaffen und erneuern sich ständig durch den Geist.
(Ernest Holmes)

Sprecher 1: Wer bist du?
Sprecher 2: Ich bin Geist in einem Meer von Prana.

Sprecher 1: Wer bist du?
Sprecher 2: Ich bin Geist, der auswählt, der sich Modelle von dieser Welt kreiert, Landkarten gleich.

Sprecher 1: Wer bist du?
Sprecher 2: Ich bin zugleich Mensch und Universum – ein Hologramm: jedes Teil von mir enthält die Informationen vom großen Ganzen.

Sprecher 1: Wer bist du?
Sprecher 2: Ich bin ein spirituelles Wesen. In meinem Innersten bin ich formloses reines Bewusstsein …  – Wer aber bist du?

Sprecher 1: Ich bin all das doch auch! Ebenso die  anderen hier im Raum.
Sprecher 2: Das heißt, wir sind – alle eins!
Sprecher 3: ( Klangschale)    Ein Gruß.

Namasté – ich grüße in dir den Ort, wo das Universum weilt.
Ich grüße in dir den Ort der Wahrheit,
des Lichtes, der Liebe und des Friedens.
Ich grüße in dir den Ort, wo,
wenn du dich an diesem Ort in dir befindest
und ich mich an jenem Ort in mir befinde,
es uns beide nur als einen gibt.

Sprecher 1: Wir sind also Teil derselben Lebenskraft. Und durch jede Inkarnation kehren wir wieder zu unserem Ursprung zurück. Warum eigentlich gehen wir erst fort?
Sprecher 2: Wir gehen gar nicht weg, sondern wir sind immer dort. Wir sind die  Medaille mit zwei Seiten – Quelle und Ziel sind immer in uns. Wir ruhen permanent im Göttlichen und sind doch in der Dualität. Nichts ist getrennt. Wir sind Purusha und Pakriti gleichzeitig und es gestaltet sich in jedem Augenblick neu. Schon eine Einatmung verändert den vorangegangenen Zustand. Wir schöpfen in uns permanent neu und haben dadurch die Möglichkeit jeden Zustand zu verändern.

Sprecher 1: Wir sind, um herrlich zu blühen und uns inmitten dieser Pracht bewusst zu erkennen. Und dabei helfen uns die Anderen: indem sie uns Spiegel und Zuhörer sind. Wir helfen einander, spinnen alle mit  am Netz des Lebens, indem wir uns mitfühlend begegnen.
Sprecher 3: ( Klangschale)   Eine Geschichte

Eine alte Indianerin pflegte meiner Mutter stets ein paar Rebhühner oder eine Handvoll Waldbeeren zu bringen. Meine Mutter sprach kein Araukanisch mit Ausnahme des begrüßenden „Mai-mai“, und die alte Indianerin konnte kein Spanisch, sondern genoss Tee und Kuchen nur mit anerkennendem Gekicher. Wir Mädchen bestaunten die farbigen handgewebten Umhänge, von denen sie mehrere übereinander trug, ihre kupfernen Armbänder und ihre Halsketten aus Silbermünzen und wetteiferten bei dem Versuch, den Singsang-Satz zu behalten, den sie jedes Mal sagte, wenn sie aufbrach. Schließlich konnten wir ihn auswendig und sprachen ihn dem Missionar vor, der ihn uns übersetzte „Ich werde wiederkommen; denn ich liebe mich, wenn ich bei euch bin.“

In diesem Sinne wünsche ich euch eine besinnliche, erkenntnisreiche, stille Stunde.

in liebevoller Verbundenheit

Wolfgang

Lesedauer 6 Minuten

Von Swami Rama

Auszug einer Rede anlässlich von Guru Purnima, dem jährlichen Tag zu Ehren des Lehrers,
dokumentiert in seiner Biographie „Zur elften Stunde: Swami Rama

Heute werde ich euch anlässlich von Guru Purnima erzählen, was ein ›Guru‹ ist. Die Menschen haben dazu viele falsche Ansichten. Das Wort Guru ist ein heiliges Wort. Tatsächlich verwenden wir dieses Wort nicht allein für sich. Es wird immer ergänzt durch Deva. Wir sagen immer Gurudeva. Das Wort Guru bezeichnet ›einen, der das Dunkel der Unwissenheit vertreibt‹. Gurudeva bedeutet ›göttliches Wesen, das leuchtende Sein, welches das Dunkel der Unwissenheit vertreibt‹. Gurudeva ist der eine, der in der innersten Kammer des Herzens wohnt und uns in allen Situationen und unter allen Umständen des Lebens führt. Er ist das innere Licht.

Viele Leute meinen, dass der Guru ein bestimmter Mensch sei. Das ist ein großer Fehler. Genauso wie ihr, ich und jedermann wird dieser menschliche Guru geboren und stirbt irgendwann, wogegen der ›Gurudeva‹ unsterblich ist. Er ist ungeboren und weder Tod noch Verfall oder Zerstörung unterworfen. Vom Beginn der Geschichte an haben die Menschen versucht, Führung zu erhalten von diesem Guru, von jenem Lehrer, Priester oder Swami. Doch bis heute hatten sie damit keinen Erfolg. Egal wie viele Bücher ihr lest und bei wie vielen Lehrern oder Priestern ihr lernt, nie werdet ihr vollkommen frei sein von euren Zweifeln und Ängsten. Solange ihr nicht frei seid von Zweifeln und Ängsten, könnt ihr euch nicht von ganzem Herzen euren Übungen zuwenden. Solange ihr nicht mit ganzem Herzen übt, könnt ihr keine direkte Erfahrung erlangen. Ohne direkte Erfahrung könnt ihr keine wirkliche Tröstung finden. Weiterlesen

Lesedauer 6 Minuten

Von Rolf Sovik

Im vorigen Beitrag der Serie „Yoga als Heilkunst“ haben wir uns mit der Natur der Schmerzen auseinandergesetzt. Nun wenden wir uns den Werkzeugen der Heilung zu. Unter den sechs Darshanas (Schulen) der indischen Philosophie bietet Yoga die Werkzeuge – Haltungen, Atemtraining, meditative Methoden und Selbstreflexion – um sich aktiv mit dem inneren Leben auseinanderzusetzen. Daher wird Yoga auch als Moksha Shastra, als „Befreiungslehre“ bezeichnet. Aber Befreiung wovon? Behalte im Hinterkopf, dass Yoga, auch wenn es als Moksha Shastra beschrieben wird, kein Fluchtweg ist. Yoga sagt uns nicht, dass wir uns von der Welt abwenden oder menschliche Angelegenheiten vermeiden sollen. Vielmehr ruft Yoga zu Selbstanstrengung und Selbstreflexion auf. Sein Ziel ist es, in den Worten der Bhagavad Gita, zu einer „Abkopplung“ von der eigenen schmerzhaften „Verbindung mit dem Leiden“ zu gelangen (Bhagavad Gita 6.22-6.23). Dies ist die zugrundeliegende Bedeutung von Moksha und das Ziel aller Praxis – die Befreiung von Schmerz und Leiden.

Vertrauen und der innere Heiler

Die Reise zu einer solch bemerkenswerten neuen Perspektive ist eine, auf der wir uns allmählich selbst transzendieren. Yoga hilft, diese Art von Veränderung herbeizuführen – aber wie? Welche Verschiebungen machen neues Lernen durch Yoga möglich? Wie wir in früheren Beiträgen zu Yoga als Heilkunst gesehen haben, sind die Bedürfnisse, die uns auf einen yogischen Weg bringen, vielfältig. Sie beinhalten das Bedürfnis nach Heilung, nach persönlicher Entfaltung und nach spirituellem Erwachen. In jedem Fall wird gesagt, dass Shraddha (Vertrauen) die Anfänge des Pfades charakterisiert. Selbst die Behebung kleinerer Leiden (ein Schnitt im Finger oder eine laufende Nase) erweckt das Vertrauen – Vertrauen an die Kraft und die Gegenwart eines inneren Heilers. Mit jeder Demonstration von wiederhergestellter Gesundheit und wiedergewonnener Kraft, gewinnen wir noch mehr Gewissheit, dass es eine heilende Präsenz in uns gibt. Und indem wir uns dem Gleichgewicht zuwenden und uns mit so grundlegenden Werkzeugen wie Ruhe, Atmung und ruhigem Loslassen ausrichten, laden wir diese Kraft der Heilung ein, nach vorne zu kommen.

Selbst wenn die Gesundheit ernsthaft untergraben ist – herausgefordert durch chronische Krankheit, emotionale Not oder starke Schmerzen – verankert der Glaube an den Heilungsprozess unsere Suche nach Erleichterung und weckt das Vertrauen in die Wirksamkeit der Yoga-Techniken.

Für die meisten von uns beginnen diese Techniken mit Asana, einer Reihe von Körperhaltungen und unterstützenden Praktiken, die das Bewusstsein für den physischen Körper wecken. Eine gut durchdachte Asana-Routine kann grundlegende Veränderungen in der Art und Weise bewirken, wie wir auf Schmerzen reagieren. Mit der Zeit können ruhigere Reaktionen, stabilere Stimmungen und vorteilhafte Veränderungen im Lebensstil Teil einer neuen Fähigkeit werden.

Es ist unvermeidlich, dass der Fortschritt im Yoga zu dem Wunsch nach mächtigeren Heilungswerkzeugen führt. Yoga-Anleitungen scheinen oft genau das zu bieten – Wege, unsere Grenzen zu erweitern. Aber während anspruchsvolle Haltungen uns verlocken mögen, sind weniger anspruchsvolle Strategien oft besser für die Heilung geeignet. Ein praktischer Ansatz ist es, eine erholsame Einstellung zur Asana-Arbeit einzunehmen. Langsames und geduldiges Dehnen, systematisches Kräftigen der Muskeln, Koordinierung der Bewegung mit der Atembewusstheit, Aufmerksamkeit für die energetischen Dimensionen der Praxis – all diese Strategien helfen.

Rahmen für die Selbstreflexion

Ein weiterer Ansatz ist die Selbstreflexion. Das spirituelle Leben ist von Natur aus reflektierend. Seine Themen – darunter Gesundheit und Heilung – veranlassen uns, verschiedene Aspekte der Yoga-Lehre zu nutzen, um uns selbst zu untersuchen. Mit der Zeit führt diese Selbstanalyse zum Erkennen von Samskaras (Gewohnheitsmustern), die unsere tägliche Routine formen und unsere Wünsche befeuern. Yoga-Schüler sind besonders daran interessiert, diese Muster des inneren Lebens zu verstehen und so zu lernen, über sie und ihre negativen Folgen Herr zu werden.

Eine besonders nützliche Strategie ist es, die Werkzeuge der Kontemplation und Selbstreflexion zu pflegen, die im Yoga-System selbst eingebaut sind. Ein Beispiel für diese Werkzeuge ist die Sammlung der Yamas und Niyamas, die Einschränkungen und Gebote, die die Grundlage und die ersten beiden Glieder des Raja Yoga sind (Yoga Sutra 2.29).

Yamas

  • Nicht-Verletzen
  • Wahrhaftigkeit
  • Nicht-Stehlen
  • Mäßigung der Sinne
  • Nicht-Besitzergreifung

Niyamas

  • Reinheit
  • Zufriedenheit
  • Entschlossene Selbstanstrengung
  • Selbst-Studium
  • Vertrauensvolle Hingabe an das Unendliche

Das Bemühen, die Yamas und Niyamas zu praktizieren, ist ein wesentlicher Bestandteil des yogischen Prozesses der Introspektion. Wenn wir unsere Aufmerksamkeit bewusst zur Ruhe bringen und sie nach innen richten, um darüber zu kontemplieren, wie wir diese zehn Verpflichtungen praktizieren oder nicht praktizieren, wird sie ganz natürlich zum feinsten Teil des Geistes, die Buddhi, gezogen. Dort, sensibel für das Reine und das Unreine, leitet uns die Buddhi. Es gibt uns ein inneres Gespür dafür, ob wir auf dem richtigen Weg sind, ob wir in uns selbst zentriert sind – selbst im Angesicht konkurrierender Ablenkungen – oder ob wir beginnen, vom Pfad abzuweichen und was wir tun müssen, um wieder in die Mitte zu kommen. Wenn wir uns an dem orientieren, was wir als weise und wahr empfinden, dann wird die Selbstreflexion zu Ausgeglichenheit und Selbstverständnis führen. Wenn wir uns beispielsweise wütend fühlen, können wir auf zwei Arten reagieren: wir können reagieren und zurückschlagen, was noch mehr Schaden anrichtet, oder wir können zurücktreten, ein paar Mal tief durchatmen, weggehen und darüber nachdenken, was unseren Ärger ausgelöst hat und warum – und dann daran arbeiten, ihn zu lösen.

Du kannst eine ähnliche Praxis der Kontemplation kultivieren, basierend auf der Liste der neun Hindernisse (Antarayas) und der sie begleitenden Symptome, die im Yoga Sutra 1.30-1.31 zu finden sind. Hier ist die Liste von allen:

Hindernisse

  • Krankheit
  • Mentale Trägheit
  • Zweifel
  • Nachlässigkeit
  • Trägheit
  • Unfähigkeit, sich von Sinnessehnsüchten zurückzuziehen
  • Festhalten an Missverständnissen
  • Unfähigkeit, Fortschritte zu erreichen
  • Unfähigkeit, den erreichten Fortschritt zu bewahren

Symptome

  • Schmerz
  • Entmutigung
  • Unruhige Gliedmaßen
  • Störung der Einatmung
  • Störung der Ausatmung

Diese Hindernisse weisen auf Blockaden im Entfaltungsprozess des Yoga hin. Sie repräsentieren Umstände, in denen Gleichmut und Konzentration abgenommen haben und durch eine oder mehrere umherstreifende Tendenzen des Geistes ersetzt wurden. Aber die neun Hindernisse und ihre Begleiterscheinungen sind auch Chancen. Sie dienen als Nahrung für die Introspektion und liefern uns Fragen – Fragen, die wir durch unsere Praxis beantworten können: Welches der neun oben aufgeführten Hindernisse hält meine Praxis (und mein Leben) davon ab, perfekt zu sein? Welche Symptome nehme ich wahr, die mich zurückhalten? Die Identifizierung dieser Symptome zeigt uns, was wir priorisieren sollten – wo wir anfangen sollten und wo wir vielleicht mehr Anleitung, Selbstanstrengung oder eine Änderung der Einstellung brauchen. In diesem Prozess beginnen wir, unsere eigene transformative Reise und die Wegweiser auf dem Weg klarer zu sehen.

Yoga erinnert uns daran, dass alles Leiden ein Lehrer ist und dass seine Lektionen zu unserer Erhöhung dienen.

Wir sollten nicht erwarten, dass reflektierendes Denken allein, ohne die anderen Praktiken des Yoga, automatisch produktive Veränderung bringt. In der Meditation sehen wir oft unsere Unzulänglichkeiten, aber auch unsere Potentiale. Existentiell verweilen wir auf halbem Weg zwischen beiden – wir sehen das endgültige Ziel, aber wir verfehlen es oft. Letztendlich stellt Yoga das Gleichgewicht auf unseren tiefsten Ebenen wieder her. In diesem Prozess lernen wir, aufmerksamer auf Buddhi, die Stimme unseres Herzens, zu hören – eine Stimme, die oft zwischen konkurrierenden inneren Perspektiven verloren geht. Yoga erinnert uns daran, dass alles Leiden ein Lehrer ist und dass seine Lektionen zu unserer Erhöhung dienen. Mit diesem Verständnis können wir beginnen, Perioden der Reflexion als Gelegenheiten zu sehen – Edelsteine des ruhigen, strahlenden Lichts.

 

Dieser Artikel erschien zuerst im Amrit Blog in der Wisdom Library des Himalayan Institute, USA.

Deutsche Übersetzung von Michael Nickel und Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Himalayan Institute, USA.