Den Atem kontrollieren, um den Geist zu kontrollieren
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Von Swami Rama
Buchauszug aus seinem Buch
„Die Wissenschaft vom Atem – Eine praktische Einführung in Atmung, Atemachtsamkeit und Pranayama„
Das Sanskritwort Pranayama wird oft mit »die Wissenschaft vom Atem« übersetzt, aber das ist eine begrenzte Interpretation. Pranayama bedeutet wörtlich »das Ayama (Erweiterung oder Manifestation) von Prana (pra: erste Einheit; na: Energie)«. Prana ist die Lebensenergie des Universums. Gemäß einer der Schulen der indischen Philosophie wurde das gesamte Universum aus Akasha (Raum) durch die Energie des Pranas projiziert. Akasha ist das unendliche, allumfassende Material des Universums, und Prana ist die unendliche, alldurchdringende Energie der universellen kosmischen Energie. Alle verschiedenen Formen dieses Universums werden von ihm getragen. Pranayama ist die Wissenschaft, die Wissen über die Kontrolle von Prana vermittelt.
Wer gelernt hat, Prana zu kontrollieren, hat gelernt, alle Energien dieses Universums zu kontrollieren – physisch und mental. Er hat damit zugleich gelernt, seinen Körper und Geist zu kontrollieren.
Der Geist steht wie eine Mauer zwischen uns und der Realität. Wenn wir mit den feineren Kräften, die Prana genannt werden, in Kontakt kommen, können wir lernen, unseren Geist zu kontrollieren, denn er ist fest mit Prana verbunden wie ein Drachen an einer Schnur. Wird die Schnur geschickt gehalten, so wird der Drachen, der sich hier und da hinbewegen will, gesteuert und fliegt in die gewünschte Richtung. Alle yogischen Atemübungen, ob fortgeschritten oder einfach, ermöglichen es uns, unseren Geist durch das Verständnis von Prana zu kontrollieren. So hilft uns die Wissenschaft vom Atem, das Prana unter Kontrolle zu bringen, um die höheren Stufen der Spiritualität zu erreichen. Wer seinen Atem und sein Prana beherrscht, hat auch seinen Geist unter Kontrolle. Wer seinen Geist kontrolliert, hat auch seinen Atem unter Kontrolle.
Die Kontrolle des Atems und die Beruhigung der Nerven ist eine Voraussetzung für die Kontrolle des Geistes, und die Kontrolle des Geistes ist eine Voraussetzung für die ultimative Unterwerfung der universellen Energie des Prana. Für den Yogi sind Körper, Atem, Nerven, Geist, Prana und das Universum alle Teil eines Kontinuums, und er schafft keine künstlichen Unterschiede zwischen ihnen. Im westlichen Denken gibt es jedoch eine viel stärkere Tendenz zur Abschottung, sodass beispielsweise die Physiologie und Psychologie ihre getrennten Identitäten beibehalten haben. Erst in jüngster Zeit haben Wissenschaftler den Zusammenhang zwischen Psyche und Körper realisiert, und die psychosomatischen Ursprünge von Krankheiten sind endlich zu einem gültigen Gegenstand für Forschung und Lehre geworden.
Krankheit ist der Ausdruck eines Ungleichgewichts von Prana
Entsprechend Yoga und der Wissenschaft des Pranayama ist Krankheit eine Manifestation eines Ungleichgewichts im Fluss von Prana. Sowohl Körper als auch Geist werden durch Prana unterstützt und interagieren daher stärker als normalerweise angenommen. Wissenschaftliche Experimente haben zum Beispiel gezeigt, dass die Peristaltik (die für die Verdauung notwendige Darmbewegung) durch Emotionen wie Wut und Angst stark gehemmt wird. Ein weiteres Beispiel für die Wechselbeziehung zwischen Körper und Geist ist der Einfluss von Emotionen auf den Atem. Wenn wir Angst haben, wird die Atmung flach und schnell, wenn wir depressiv sind, wird die Atmung schwer und mühsam.
Persönlichkeitstypen und Atemmuster
Psychologen haben gezeigt, dass es eine Übereinstimmung zwischen Persönlichkeitstypen und Atemmustern gibt. Die Yoga-Wissenschaft erkennt ebenfalls eine solche Übereinstimmung, aber laut Yoga ist die Beziehung zwischen Atem und Geist reziprok. Wenn ein bestimmter Geisteszustand zu einer bestimmten Art der Atmung führt, dann können wir umgekehrt durch die bewusste Übernahme dieser Art der Atmung den entsprechenden Geisteszustand hervorrufen. Wenn es eine Übereinstimmung zwischen Persönlichkeitstyp und Atemmuster gibt, dann erklärt der Yogi kategorisch, dass wir durch eine Änderung des Atemmusters die Persönlichkeit transformieren können: denn ist der Geist gestört, ist auch der Atem gestört und wird flach, schnell und ungleichmäßig. Indem wir bewusst tief, gleichmäßig und regelmäßig atmen, erleben wir eine spürbare Entspannung und ein gesteigertes Gefühl von Entspannung und Ruhe.