Wie mentale Klarheit entsteht (nach Patanjali, YS 1.33)
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Von Michael Nickel
Wie wichtig ist es Dir, einen friedlichen Geist in dieser Zeit voller Herausforderungen zur Verfügung zu haben? – Die Yoga-Weisheit betont ein spezielles Element sehr stark, dass man auch oft im Buddhismus betont findet: Die Freundlichkeit, Freundschaftlichkeit oder Güte. Der Dalai Lama ist vielleicht eine der wenigen bekannten lebenden vollendeten Verkörperungen dieses Prinzips. Doch man findet einige Menschen in der Geschichte, die danach gelebt haben:
Mentale Klarheit entsteht, indem man eine Geisteshaltung der Freundlichkeit, des Mitgefühls, der Lebensfreude, und des Nicht-Urteilens gegenüber denen einnimmt, die glücklich, unglücklich, rechtschaffen oder nicht rechtschaffen sind.
Patanjali
Yoga Sutra 1.33
aus dem von mir übersetzten und im Agni Verlag herausgegebenen Kommentar
meines Yoga-Philosophie-Lehrers Pandit Rajmani Tigunait (Panditji)
Es geht hier nicht um „Gleichgültigkeit“, sondern um eine positive Grundhaltung, die unseren eigenen Geist vor dem Gift der Negativität schützt.
Panditji kommentiert Yoga Sutra 1:33 folgendermaßen (Hervorhebungen von mir):
„Feindseligkeit, Grausamkeit, Eifersucht und Selbstgerechtigkeit sind die größten mentalen Verunreinigungen. Die Gegenmittel sind Freundlichkeit, Mitgefühl, Freude und Urteilslosigkeit. Die Notwendigkeit, diese Gegenmittel zu einem Teil unserer täglichen Praxis zu machen und so unseren Geist rein und klar zu halten, ist das Thema dieses Sutra.
Animosität entsteht durch Anhaftung. Die Anhaftung an unser inneres Hab und Gut – unsere Gewohnheiten, Samskaras und Vasanas – ist weitaus stärker als jede Anhaftung an ein materielles Objekt oder eine Errungenschaft. Das wertvollste aller unserer inneren Besitztümer ist der Wunsch, größer, reicher, mächtiger, angesehener und einflussreicher zu sein als andere Menschen. Wir wollen, dass die Welt unseren Launen entspricht – wir wollen, dass sie sich um uns dreht. Je mehr wir sehen, dass sich dieser Wunsch erfüllt, desto glücklicher sind wir. Wir messen unseren Erfolg an diesem Wunsch, und wir können es nicht leicht ertragen, dass jemand erfolgreicher ist als wir.“
Und weiter …
„Um unseren Geist zu befreien, seine transparente und erleuchtende Kraft zurückzugewinnen, bietet Patanjali ein Heilmittel gegen das Prinzip der Feindseligkeit: eine innere Atmosphäre der Freundschaft zu pflegen. Das bedeutet nicht, dass wir erfolgreichen Menschen nachlaufen und uns einschmeicheln sollten, sondern dass wir eine positive Einstellung zu ihnen pflegen – eine Haltung, die auf richtigem Verständnis beruht.“
Und noch weiter …
„Eine freundliche Einstellung gegenüber denen zu entwickeln, die erfolgreich und glücklich sind, reinigt den Geist vom elementaren Gift der Feindseligkeit. Diese Praxis befreit den Geist auch von seinen dunklen, schweren Eigenschaften und verleiht ihm Klarheit und Transparenz, sodass er seinen gewählten Fokuspunkt ohne Ablenkung erreichen kann.
Die Pflege einer allgemeinen Grundhaltung der Freundschaft ist ein kontemplativer Prozess. Wir erinnern uns daran, dass der Erfolg von harter Arbeit und dem Akt der göttlichen Fügung abhängt. Es ist kein Zufall, dass bestimmte Personen gesund, glücklich, friedlich und wohlhabend sind. Eine lange Kette guter Taten führte sie zu einem positiven Ergebnis – wir haben keine Ahnung, welche positiven Karmas zusammengetroffen sind, um bestimmte Personen zu einem Punkt zu führen, an dem sie erfolgreich zu sein scheinen. Es ist gut, wenn wir etwas aus ihrem Erfolg lernen können, aber es besteht keine Notwendigkeit, ihre Dummheiten zu ergründen. Wenn wir uns beispielsweise einer Anti-Korruptionsbewegung angeschlossen haben, besteht keine Notwendigkeit, Feindseligkeiten gegenüber Politikern zu entwickeln, die ihr Vermögen mit korrupten Mitteln aufgebaut haben. Unser Wissen über ihre Korruption darf nicht dazu führen, dass unser Geist mit Hass kontaminiert wird, denn durch den Hass auf sie schädigen wir unseren eigenen Geist. Hass, Wut und Feindseligkeit füllen unseren Geist mit Negativität. Wir können kein positives Ergebnis mit einem negativen Geist erzielen. Wir sind die ersten und wichtigsten Adressaten unserer eigenen Negativität.“
Den ganzen Text zu diesem Sutra findest Du in „Das Geheimnis des Yoga Sutra – Samadhi Pada“ auf Seite 175 ff. Es ist eine sehr lohnende Lektüre und eine wervolle Grundlage, um unsere eigenen Anteile an der immer tiefer werdenden Polarisation in der Gesellschaft zu kontemplieren, zu verstehen und zu beseitigen.
Einen Einstieg in die Meditation nach Yoga Sutra 1.36, die Erfahrung des Ruhens in der inneren Essenz des reinen Bewusstseins, jenseits aller Sorgen und jenseits allen Schmerzes, bietet das Buch “Vishoka-Meditation” von Pandit Rajmani Tigunait, das 2020 im Agni-Verlag erschienen ist. Mehr zum Thema findest du in seinem Buch “Das Geheimnis des Yoga Sutra – Samadhi Pada”, das 2019 im Agni Verlag erschienen ist. Wenn du nach praktischen Anleitungen suchst, findest Du einen Link zu zugehörigen Audio-Downloads im Buch “Vishoka-Meditation”. Zusätzlich bietet Michael Nickel, der Autor dieses Beitrags und Gründer-Verleger des Agni Verlag, Yoga- und Meditations-Kurse und -Stunden, die Dich in die Ruhe führen. Alle Kursangebote von Michael laufen auch online. Siehe www.santosha-yoga.de für weitere Infos.