„Einfachheit ist die höchste Stufe der Vollendung“ (Leonardo da Vinci)
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Von Michael Nickel
Kennst Du das: Du hast für ein Thema Feuer gefangen und möchtest gerne „fortschreiten“, tiefer und tiefer gehen? Genau das scheint ein wichtiger Teil der menschlichen Natur zu sein. In unserem Yoga drückt sich das ebenso aus, wie in jedem anderen Lebensbereich. All zu schnell geraten wir dabei in die „Komplexitätsfalle“ – die Ansicht, dass komplizierter und spektakulärer besser ist. Warum lassen wir uns im medial geprägten 21sten Jahrhundert im Yoga so sehr von einer Yoga-, Yogi-, Yogini-Bilderflut auf Instagram, Facebook und Co beeindrucken? Bilder, die Menschen in den verdrehtesten Körperhaltungen zeigen und die aus yogischer Perspektive ziemlich sinnlos mit platten Aushängeschildern wie „fortgeschrittene, spektakuläre Praxis“ oder „Yoga-Legende“ kommentiert sind?
Dabei lehrt uns das Yoga Sutra seit langem in anderen Worten genau das, was später Leonardo da Vinci für Kunst und Wissenschaft auf den Punkt brachte: Einfachheit ist die höchste Stufe der Vollendung. Oder in yogisch: Yoga liegt in der Einfachheit! yogas citta-vrtti-nirodhah (YS 1.2) spricht von der finalen „Einfachheit des Geistes“ – wenn die mentalen Bewegungen so gleichförmig fließen, dass keine Komplexität mehr vorhanden ist, sondern Fokus und „Ein-Pünktigkeit“, also völlige Simplizität. Lässt sich das spektakulär in den Medien darstellen? – Eher nicht! – Und wenn es nicht darstellbar ist, wie soll man es dann als Vorbild nehmen?
Wie wäre es denn, einmal die Einfachheit zu üben? Mit völliger Radikalität! Etwa: Tadasana in Vollendung! Völlige „festbewusstleichte“ Stabilität, wie Gérard Blitz die Essenz von sthira-sukham in YS 2.46 in seinem wunderbaren kleinen Büchlein „Der Yogaweg des Patanjali“ formuliert. Was heißt das? dass der Kopf dem Körper die Erlaubnis gibt, in völlige Bewegungslosigkeit zu gehen und nur noch die Muskeln arbeiten zu lassen, die Du wirklich für einen solchen Stand benötigst. Ist Spannung in den Fingern und Armen nötig? Fehlanzeige! Muss sich die Augenbraue oder der Mundwinkel bewegen? Nein! Muss ich dabei mein T-Shirt zurecht zupfen? Ebenfalls: Nein! Müssen dabei die Zehen sich periodisch von der Matte heben, um noch breiter aufzufächern? Komm schon! – Dir erscheinen diese Aufführungen absurd? – Dann beobachte Dich einmal selbst! Es gehört schon ein mentaler Entschluss zur radikalen Einfachheit der Haltung dazu, um das Bekenntnis zu YS 1.2 und YS 2.46 wirklich in jeder Haltung umzusetzen – und sei sie so scheinbar einfach wie Tadasana.
Du möchtest diese Radikale Einfachheit einmal ausprobieren? Dann beginne heute mit 2 Minuten Tadasana in bewusst wahrgenommener Bewegungslosigkeit im Rahmen einer kleinen Yogasequenz!