Schlagwortarchiv für: Buddhi

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Von Michael Nickel

Wenn ich derzeit mit Familie, Freunden und Bekannten spreche, kommt immer wieder ein Thema hoch: Der ungeheure, menschenverachtende Krieg in der Ukraine und die daraus resultierenden Gefühle von Ohnmacht, Wut und Trauer, mit denen viele derzeit kaum zurecht kommen. Das in unseren Medien nahezu in Echtzeit übertragene grausame Kriegsgeschehen und vor allem das unermessliche Leid der vielen Menschen, die weltweit direkt oder indirekt von diesem Krieg betroffen sind, macht uns anscheinend kollektiv fertig. Das Schicksal und Leid der unzähligen traumatisierten Flüchtenden rührt unser Herz an und hat eine Welle der Hilfsbereitschaft ausgelöst. Doch gleichzeitig bringen viele zum Ausdruck, dass es ihnen nahezu unmöglich ist, eine innere Distanz zu diesem Geschehen zu bekommen.

Es mag zunächst seltsam klingen, sich innerlich von den Geschehnissen der Wellt zu distanzieren. Das klingt nach Kaltherzigkeit, nach Kopf in den Sand stecken, nach Rückzug von der Realität. Doch ist es das wirklich, wenn wir innerlich einen Schritt zurücktreten? – Nicht unbedingt, zumindest nicht, wenn wir dies im konstruktiven Sinne betreiben. Sind wir doch mal ehrlich zu uns selbst: Was viele von uns momentan fühlen ist Mitleid im wörtlichsten Sinne – wir leiden selber, weil wir nicht aushalten können, zu sehen, dass andere Menschen leiden. Wir leiden, weil wir nicht aushalten können, zu sehen, wozu andere Menschen in der Lage sind. Wir leiden kollektiv so stark, dass der Schmerz schon beinahe greifbar ist.

Was entsteht aus Schmerz?

Aus Schmerz entstehen Angst und Wut, wenn wir den Schmerz nicht heilen können. Aus Angst und Wut entsteht eine tiefe Aggression, die nur weitere Aggressionen nach sich zieht. Aufrüstung, mehr Waffen, mehr Mauern, mehr Konflikte, mehr leidende Menschen, mehr Mitleiden … Wir drehen uns dabei im Kreis, im Großen, wie im Kleinen. Was ist also der Ausweg? Weiterlesen

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Antworten von Pandit Rajmani Tigunait

 

Frage Agni-Magazin: Ich ertappe mich dabei, wie ich über vergangene Traumata, Verletzungen und Ungerechtigkeiten in meinem Leben nachdenke und wütend darüber werde, wie ungerecht das Leben ist. Was kann ich tun, um meinen Geist zu beruhigen?

Pandit Rajmani Tigunait : Die Philosophie des Yoga beginnt mit der festen Überzeugung, dass, egal wer wir sind, egal was wir geworden sind, egal was unsere Vergangenheit war, es immer eine Chance gibt, sich über die schmerzhaften Umstände unserer Vergangenheit zu erheben. Das mag schwer sein, aber es ist nicht unmöglich. Der beste Weg, dies zu tun, ist zu erkennen, dass das, was wir als Ungerechtigkeit empfinden, Teil des göttlichen Laufs der Welt ist. Es ist etwas, das passiert ist und nicht unter unserer Kontrolle stand, als es geschah. Aber es war in den Händen dessen, was den Lauf des Universums bestimmt. Weiterlesen

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Von Rolf Sovik

Im vorigen Beitrag der Serie „Yoga als Heilkunst“ haben wir uns mit der Natur der Schmerzen auseinandergesetzt. Nun wenden wir uns den Werkzeugen der Heilung zu. Unter den sechs Darshanas (Schulen) der indischen Philosophie bietet Yoga die Werkzeuge – Haltungen, Atemtraining, meditative Methoden und Selbstreflexion – um sich aktiv mit dem inneren Leben auseinanderzusetzen. Daher wird Yoga auch als Moksha Shastra, als „Befreiungslehre“ bezeichnet. Aber Befreiung wovon? Behalte im Hinterkopf, dass Yoga, auch wenn es als Moksha Shastra beschrieben wird, kein Fluchtweg ist. Yoga sagt uns nicht, dass wir uns von der Welt abwenden oder menschliche Angelegenheiten vermeiden sollen. Vielmehr ruft Yoga zu Selbstanstrengung und Selbstreflexion auf. Sein Ziel ist es, in den Worten der Bhagavad Gita, zu einer „Abkopplung“ von der eigenen schmerzhaften „Verbindung mit dem Leiden“ zu gelangen (Bhagavad Gita 6.22-6.23). Dies ist die zugrundeliegende Bedeutung von Moksha und das Ziel aller Praxis – die Befreiung von Schmerz und Leiden.

Vertrauen und der innere Heiler

Die Reise zu einer solch bemerkenswerten neuen Perspektive ist eine, auf der wir uns allmählich selbst transzendieren. Yoga hilft, diese Art von Veränderung herbeizuführen – aber wie? Welche Verschiebungen machen neues Lernen durch Yoga möglich? Wie wir in früheren Beiträgen zu Yoga als Heilkunst gesehen haben, sind die Bedürfnisse, die uns auf einen yogischen Weg bringen, vielfältig. Sie beinhalten das Bedürfnis nach Heilung, nach persönlicher Entfaltung und nach spirituellem Erwachen. In jedem Fall wird gesagt, dass Shraddha (Vertrauen) die Anfänge des Pfades charakterisiert. Selbst die Behebung kleinerer Leiden (ein Schnitt im Finger oder eine laufende Nase) erweckt das Vertrauen – Vertrauen an die Kraft und die Gegenwart eines inneren Heilers. Mit jeder Demonstration von wiederhergestellter Gesundheit und wiedergewonnener Kraft, gewinnen wir noch mehr Gewissheit, dass es eine heilende Präsenz in uns gibt. Und indem wir uns dem Gleichgewicht zuwenden und uns mit so grundlegenden Werkzeugen wie Ruhe, Atmung und ruhigem Loslassen ausrichten, laden wir diese Kraft der Heilung ein, nach vorne zu kommen.

Selbst wenn die Gesundheit ernsthaft untergraben ist – herausgefordert durch chronische Krankheit, emotionale Not oder starke Schmerzen – verankert der Glaube an den Heilungsprozess unsere Suche nach Erleichterung und weckt das Vertrauen in die Wirksamkeit der Yoga-Techniken.

Für die meisten von uns beginnen diese Techniken mit Asana, einer Reihe von Körperhaltungen und unterstützenden Praktiken, die das Bewusstsein für den physischen Körper wecken. Eine gut durchdachte Asana-Routine kann grundlegende Veränderungen in der Art und Weise bewirken, wie wir auf Schmerzen reagieren. Mit der Zeit können ruhigere Reaktionen, stabilere Stimmungen und vorteilhafte Veränderungen im Lebensstil Teil einer neuen Fähigkeit werden.

Es ist unvermeidlich, dass der Fortschritt im Yoga zu dem Wunsch nach mächtigeren Heilungswerkzeugen führt. Yoga-Anleitungen scheinen oft genau das zu bieten – Wege, unsere Grenzen zu erweitern. Aber während anspruchsvolle Haltungen uns verlocken mögen, sind weniger anspruchsvolle Strategien oft besser für die Heilung geeignet. Ein praktischer Ansatz ist es, eine erholsame Einstellung zur Asana-Arbeit einzunehmen. Langsames und geduldiges Dehnen, systematisches Kräftigen der Muskeln, Koordinierung der Bewegung mit der Atembewusstheit, Aufmerksamkeit für die energetischen Dimensionen der Praxis – all diese Strategien helfen.

Rahmen für die Selbstreflexion

Ein weiterer Ansatz ist die Selbstreflexion. Das spirituelle Leben ist von Natur aus reflektierend. Seine Themen – darunter Gesundheit und Heilung – veranlassen uns, verschiedene Aspekte der Yoga-Lehre zu nutzen, um uns selbst zu untersuchen. Mit der Zeit führt diese Selbstanalyse zum Erkennen von Samskaras (Gewohnheitsmustern), die unsere tägliche Routine formen und unsere Wünsche befeuern. Yoga-Schüler sind besonders daran interessiert, diese Muster des inneren Lebens zu verstehen und so zu lernen, über sie und ihre negativen Folgen Herr zu werden.

Eine besonders nützliche Strategie ist es, die Werkzeuge der Kontemplation und Selbstreflexion zu pflegen, die im Yoga-System selbst eingebaut sind. Ein Beispiel für diese Werkzeuge ist die Sammlung der Yamas und Niyamas, die Einschränkungen und Gebote, die die Grundlage und die ersten beiden Glieder des Raja Yoga sind (Yoga Sutra 2.29).

Yamas

  • Nicht-Verletzen
  • Wahrhaftigkeit
  • Nicht-Stehlen
  • Mäßigung der Sinne
  • Nicht-Besitzergreifung

Niyamas

  • Reinheit
  • Zufriedenheit
  • Entschlossene Selbstanstrengung
  • Selbst-Studium
  • Vertrauensvolle Hingabe an das Unendliche

Das Bemühen, die Yamas und Niyamas zu praktizieren, ist ein wesentlicher Bestandteil des yogischen Prozesses der Introspektion. Wenn wir unsere Aufmerksamkeit bewusst zur Ruhe bringen und sie nach innen richten, um darüber zu kontemplieren, wie wir diese zehn Verpflichtungen praktizieren oder nicht praktizieren, wird sie ganz natürlich zum feinsten Teil des Geistes, die Buddhi, gezogen. Dort, sensibel für das Reine und das Unreine, leitet uns die Buddhi. Es gibt uns ein inneres Gespür dafür, ob wir auf dem richtigen Weg sind, ob wir in uns selbst zentriert sind – selbst im Angesicht konkurrierender Ablenkungen – oder ob wir beginnen, vom Pfad abzuweichen und was wir tun müssen, um wieder in die Mitte zu kommen. Wenn wir uns an dem orientieren, was wir als weise und wahr empfinden, dann wird die Selbstreflexion zu Ausgeglichenheit und Selbstverständnis führen. Wenn wir uns beispielsweise wütend fühlen, können wir auf zwei Arten reagieren: wir können reagieren und zurückschlagen, was noch mehr Schaden anrichtet, oder wir können zurücktreten, ein paar Mal tief durchatmen, weggehen und darüber nachdenken, was unseren Ärger ausgelöst hat und warum – und dann daran arbeiten, ihn zu lösen.

Du kannst eine ähnliche Praxis der Kontemplation kultivieren, basierend auf der Liste der neun Hindernisse (Antarayas) und der sie begleitenden Symptome, die im Yoga Sutra 1.30-1.31 zu finden sind. Hier ist die Liste von allen:

Hindernisse

  • Krankheit
  • Mentale Trägheit
  • Zweifel
  • Nachlässigkeit
  • Trägheit
  • Unfähigkeit, sich von Sinnessehnsüchten zurückzuziehen
  • Festhalten an Missverständnissen
  • Unfähigkeit, Fortschritte zu erreichen
  • Unfähigkeit, den erreichten Fortschritt zu bewahren

Symptome

  • Schmerz
  • Entmutigung
  • Unruhige Gliedmaßen
  • Störung der Einatmung
  • Störung der Ausatmung

Diese Hindernisse weisen auf Blockaden im Entfaltungsprozess des Yoga hin. Sie repräsentieren Umstände, in denen Gleichmut und Konzentration abgenommen haben und durch eine oder mehrere umherstreifende Tendenzen des Geistes ersetzt wurden. Aber die neun Hindernisse und ihre Begleiterscheinungen sind auch Chancen. Sie dienen als Nahrung für die Introspektion und liefern uns Fragen – Fragen, die wir durch unsere Praxis beantworten können: Welches der neun oben aufgeführten Hindernisse hält meine Praxis (und mein Leben) davon ab, perfekt zu sein? Welche Symptome nehme ich wahr, die mich zurückhalten? Die Identifizierung dieser Symptome zeigt uns, was wir priorisieren sollten – wo wir anfangen sollten und wo wir vielleicht mehr Anleitung, Selbstanstrengung oder eine Änderung der Einstellung brauchen. In diesem Prozess beginnen wir, unsere eigene transformative Reise und die Wegweiser auf dem Weg klarer zu sehen.

Yoga erinnert uns daran, dass alles Leiden ein Lehrer ist und dass seine Lektionen zu unserer Erhöhung dienen.

Wir sollten nicht erwarten, dass reflektierendes Denken allein, ohne die anderen Praktiken des Yoga, automatisch produktive Veränderung bringt. In der Meditation sehen wir oft unsere Unzulänglichkeiten, aber auch unsere Potentiale. Existentiell verweilen wir auf halbem Weg zwischen beiden – wir sehen das endgültige Ziel, aber wir verfehlen es oft. Letztendlich stellt Yoga das Gleichgewicht auf unseren tiefsten Ebenen wieder her. In diesem Prozess lernen wir, aufmerksamer auf Buddhi, die Stimme unseres Herzens, zu hören – eine Stimme, die oft zwischen konkurrierenden inneren Perspektiven verloren geht. Yoga erinnert uns daran, dass alles Leiden ein Lehrer ist und dass seine Lektionen zu unserer Erhöhung dienen. Mit diesem Verständnis können wir beginnen, Perioden der Reflexion als Gelegenheiten zu sehen – Edelsteine des ruhigen, strahlenden Lichts.

 

Dieser Artikel erschien zuerst im Amrit Blog in der Wisdom Library des Himalayan Institute, USA.

Deutsche Übersetzung von Michael Nickel und Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Himalayan Institute, USA.

 

Lesedauer 3 Minuten

Von Michael Nickel

Was ist eigentlich der Unterschied zwischen Savasana und Yoga Nidra? Heutzutage scheinen die Begriffe zu verschwimmen, werden doch längere Savasana-Sequenzen auch immer wieder als Yoga Nidra bezeichnet. Sind das nicht eh einfach zwei Varianten körperlicher Entspannungsverfahren aus dem Yoga-Repertoire? Weiterlesen