Der Himmel ist nah – wenn wir ihn bewusst wählen
Lesen oder Zuhören? Du hast die Wahl! - Lass Dir den Beitrag von unserer KI-Stimme Anisha vorlesen!
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Von Michael Nickel
Ja, dieses Gedankenfutter spricht heute vom „Himmel“ – und doch gilt dabei: Nein, es geht nicht um Religion! Es geht um unsere persönliche Weltsicht, genauer gesagt darum, wie wir durch unser persönliches In-die-Welt-
Es geht in diesem Gedankenfutter um Schlaf, um Himmel und Hölle, um Tod, um Wiedergeburt – und das alles im Alltag und nicht erst im nächsten Leben! „Hilfe!“
Schlaf – ein herrliches Geschenk von Mutter Natur
Wie herrlich erfrischend ist doch der Schlaf! Zumindest, wenn wir ihn gut vorbereiten – doch darum soll es nur am Rande gehen. Lass uns doch einen Moment lang den Schlaf direkt betrachten. Welch herrliches Geschenk der Natur. Wir legen uns erschöpft von den Mühen des Tages nieder und stehen am Morgen erfrischt auf. Diese Erfahrung haben wir alle schon gemacht. Leider machen wir sie nicht immer, was viel damit zu tun hat, was wir tagsüber gemacht haben und wie wir den Tag beenden und abends ins Bett gehen.
Im modernen schlaf-medizinischen Jargon wird in diesem Zusammenhang von Schlaf-Hygiene gesprochen. Es würde zu weit führen, hier in alle Aspekte des Themas einzusteigen. Nehmen wir einfach mal an, wir berücksichtigen alles, was die moderne Schlafforschung uns ans Herzen legt und wir schlummern selig die Nacht hindurch, um am nächsten Morgen ausgeruht und erfrischt zu erwachen, nur um gleich wieder die Probleme des Alltags zu sehen.
Ganz im Sinne von Jürgen von der Lippes herrlich albernen Song von 1987 „Guten Morgen, liebe Sorgen, seid ihr auch schon alle da? Habt ihr auch so gut geschlafen? Na, dann ist ja alles klar …“ – So albern dieses Lied ist, trägt es doch ein Kern-Problem unseres Alltags in sich: egal, wie gut wir schlafen, unsere Alltagsprobleme werden dadurch nicht gelöst. Und da sind wir schon beim nächsten Punkt: unsere Sorgen, die unseren Alltag zur Hölle machen.
Himmel und Hölle – kein abstraktes Jenseits-Konzept, sondern handfeste Erfahrung im Alltag
Wenn wir die Begriffe Himmel und Hölle hören, denken wir meist an Religion und das Jenseits, ganz egal, ob wir an ein solches Jenseits-Konzept glauben oder dem kritisch oder gar völlig meinungslos gegenüber stehen. Doch Himmel und Hölle finden wir im Alltag, sogar sprichwörtlich! Wie oft bewerten wir unsere Alltagserfahrungen mit diesen beiden Worten, wenn wir mit anderen reden: „Der Tag heute war himmlisch!“, „Das Meeting heute Nachmittag war die Hölle“, „Welch himmlische Landschaft hier!“, „Mann, das Essen ist höllisch scharf!“, „Was für ein höllischer Plan, der uns eingefallen ist.“ … fällt Dir spontan noch mehr ein, wie Du diese beiden Worte benutzt? Wir nutzen sie, ohne viel drüber nachzudenken. In der abendländischen Kultur sind wir so von den Konzepten von Himmel und Hölle geprägt, dass wir gar nicht anders können, als diese Worte zu benutzen. Wenn es aber darum geht, unser Leben zu betrachten, so kommen wir höchstens in den schlimmsten Phasen unseres Lebens in die Versuchung unser Leben als „die Hölle“ zu bezeichnen.
Das ist einerseits gut so, doch andererseits würde es uns vielleicht eine Chance eröffnen, unser Leben wesentlich zu verbessern, wenn wir Himmel und Hölle weniger abstrakt und weniger unbewusst betrachten und nutzen würden. Ganz konkret: Wie würde ein Tag aussehen, den Du als „himmlisch“ bezeichnen würdest und wie sieht ein „höllischer“ Alltag aus? – Würdest Du dann nicht lieber jeden Tag die Wahl haben und jeden Tag „den Himmel“ im Alltag wählen?
Wir alle wollen „den Himmel“ in der einen oder anderen Weise. Das entspricht unserer angeborenen Natur: Wir streben nach der positiven Erfahrung, dem positiven Gefühl, der positiven Umwelt und Gesellschaft. Und wenn wir sie hier und jetzt nicht haben können, dann eben im Jenseits! – Doch was, wenn es möglich ist, jeden Tag den Himmel zu wählen – und damit die Hölle im Alltag weitgehend zur Hölle zu jagen? – Wie soll das gehen?
Der Tod ist des Schlafes Bruder
Im Westen gibt es die Sprichwörter „Der Tod ist des Schlafes Bruder“ oder „Schlaf ist der kleine Tod“ – was zunächst nichts anderes heißt, dass uns beide, Tod und Schlaf in einen Zustand der Unbewusstheit hinab ziehen. Die Yoga-Traditionen gehen sogar noch weiter: Sie sagen uns, dass wir sowohl im Tod als auch im Tiefschlaf in die Essenz unseres Sein, den Kern unseres Wesens, unsere Seele, Atman oder Purusha, zurückgeworfen werden. In jeder Tiefschlaf-Phase machen wir entsprechend dieser Sichtweise die vollkommene Erfahrung unseres Selbst. Die Mandukya-Upanischad führt dies aus, und nicht ganz zufällig habe ich vor einem Jahr die Textfassung und den Kommentar von Swami Rama dazu übersetzt und im Agni-Verlag herausgegeben. Es ist eine zutiefst erhellende Philosophie, die uns den Schlaf noch mehr schätzen lässt und die Grundlage bietet, den yogischen Schlaf – Yoga Nidra – zu verstehen und beides noch mehr wertschätzen zu lernen.
Schlaf in all seinen Phasen und Facetten ist also höchst wertvoll. Experimente in Schlaflaboren zeigen, dass wir in kurzer Zeit unser mentales und emotionales Gleichgewicht verlieren, wenn wir nicht in ausreichender Menge unseren Tiefschlaf – die Verbindung zu unserem Wesenskern – bekommen. So kommt es also, dass wir jede Nacht unseren „kleine Tod“ erfahren und wir am nächsten Morgen in unsere Bewusstheit hinein wieder geboren werden.
Im Konzept der Wiedergeburt liegt der Schlüssel zum „Himmel im Alltag“
Über das Konzept von Tod und Wiedergeburt wird in den östlichen Philosophien viel geschrieben und gesprochen. Mir ist bewusst, dass die meisten, die dieses Gedankenfutter lesen, wahrscheinlich nicht an Wiedergeburt nach dem Tod glauben. Doch das ist auch gar nicht nötig, um dennoch aus der östlichen Philosophie von Tod uns Wiedergeburt etwas Positives für uns zu ziehen!
Legen wir das Konzept von Schlaf als „kleiner Tod“ oder „Todes-Bruder“ zugrunde, dann können wir alles, was uns die östlichen Philosophien zu Tod und Wiedergeburt sagen, auf unsere Alltagserfahrung des Schlafengehens und Erwachens beziehen. Die Bhagavad Gita und viele andere Texte der Yoga-Tradition schreibt zu Tod und Wiedergeburt etwas sehr Erhellendes: So wie wir die Welt im Tod verlassen, so kommen wir wieder – genauer gesagt: der mental-emotionale Zustand, in dem wir sterben, bestimmt unseren Einstand in das neue Leben. So abstrus sich dieses Konzept für Dich vielleicht im Bezug auf den realen Tod anhören mag, so schiebe dies bitte einen Moment zur Seite und frage Dich: Was bedeutet es, wenn wir dieses Prinzip auf den „kleinen Tod“, den Schlaf und die Wiedergeburt im bewussten Aufwachen am Morgen anwenden?
Plötzlich sind wir damit wieder bei Jürgen von der Lippe und seinem Song, denn offensichtlich sind aus der Sicht des Liedes die Sorgen ja mit in den Schlaf gegangen … Und so kehren wir auch wieder zurück zu einem ganz spezifischen Aspekt der Schlaf-Hygiene: Das Ablegen aller Sorgen und das kultivieren von positiven Gedanken am Abend, bevor wir ins Bett gehen. Oder in anderen Worten: In den Himmel, frei von Sorgen einzutreten, bevor Du Dich dem kleinen Tod des Schlafes hingibst.
Den Himmel am Abend wählen und kultivieren – Wie geht das?
Es gibt viele Möglichkeiten, die Sorgen am Abend ad Acta zu legen, mit sich ins Reine zu kommen und damit aus der relativen Hölle des Tages in einen momentanen „relativen Himmel“ zu gelangen, das kann vom Tagebuch schreiben über ein Gespräch mit einem lieben Menschen bis hin zur Yoga- und Meditations-Praxis gehen. In vielen spirituellen und religiösen Traditionen der Welt spielt die innere Zwiesprache eine wichtige Rolle. Im Christentum nennen wir dies „Gebet“, doch wie wir es benennen, ist letztlich belanglos.
Ich persönlich wähle seit langer Zeit jeden Abend den Himmel in meiner ganz persönlichen inneren Zwiesprache mit dem Universum. Was immer das Universum sein mag in seiner Vielfalt, am Abend, wenn ich mich zum Einschlafen auf die Seite drehe, dann wird das Universum für mich zur liebevollen Mutter Natur, deren Kind ich bin, zur Königin unter den Wächtern des Schlafes. Es ist beinahe, als würde ich meinen Körper, meinen Geist und all meine Gedanken in ihre liebevoll geöffneten Hände legen, um dort vollkommenes Behütetsein zu finden in dem, was die östlichen Philosophien als „Sri“ bezeichnen: „Reichtum auf allen Ebenen“, insbesondere der „Luxus“ und „Reichtum“, der in Sorgenfreiheit steckt. Denn wenn man in das Gefühl des absoluten Behütetseins eintaucht, welche Rolle spielen dann die Sorgen des Tages noch? – Sie lösen sich auf. Was für mich übrig bleibt, ist eine Erfahrung des „sorgenfreien Himmels der Geborgenheit in Mutter Natur“. Ein Zustand von „Yoga“ oder „Verbindung“, genauer gesagt, die Verbindung mit dem Prinzip der vollkommenen Positivität – denn genau das verkörpert für mich das Bild der liebevoll fürsorglichen Mutter Natur oder Sri.
Einen positiven Feedback-Kreislauf erschaffen
Was am Abend weg ist, kann schon mal am Morgen in der Wiedergeburt des Bewusstseins nicht unmittelbar wieder vorhanden sein. Das Gefühl der Sorglosigkeit kommt also zunächst einmal mit. Das heißt zwar nicht, dass die Ursachen unserer Sorgen weg sind. Das heißt aber zunächst einmal, dass wir mit einem frischen Blick in den Tag starten – und dadurch die Chance bekommen, die Ursachen der Sorgen neu zu betrachten und zu bewerten. Alleine daraus ergibt sich die Chance, dass das, was uns im Leben begegnet nicht unmittelbar von uns als „höllisch“ wahrgenommen wird. Der Unterschied zu gestern mag noch so winzig sein, doch er ist da und seien es nur wenige Momente nach dem Erwachen, in dem wir die Fortsetzung jener Positivität finden, die wir am Abend vor dem Schlafengehen kultiviert haben. Das schöne an dieser „Methode“ und Weltsicht ist, dass sie sich im Positiven selbst verstärkt. Und wieder finden wir das Versprechen des Yoga Sutra, das Patabi Jois so elegant in einfache Worte gefasst hat: „Übe. Und alles wird kommen.“
Begreifen wir also unsere persönliche Art und Weise, in der wir vor dem Schlafengehen in die Positivität gehen als Übung, dann erzeugen wir einen positiven Feedback-Kreislauf, der immer stärker wird. Auf der einen Seite wird es abends immer leichter, die Sorgen los zulassen und „den Himmel zu kultivieren“. Auf der anderen Seite steht uns am Morgen und durch den ganzen Tag hindurch dieser zuvor „selbst gewählte Himmel“ immer mehr gegen die vermeintliche „Hölle“ der Herausforderungen des Alltags zur Seite. Und so wird eine kleine, scheinbar harmlose Praxis der Positivität am Abend – die vielleicht nur wenige Augenblicke oder Minuten bedarf, um sich zu entfalten – zu einem mächtigen Werkzeug des Lebens im positiven Denken. Probiere es. Es kostet Dich nichts und wird Dich doch reich beschenken!
Die Textfassung der Mandukya-Upanischad von Swami Rama und sein Kommentar dazu, auf den sich dieses Gedankenfutter bezieht, ist im Herbst 2019 im Agni Verlag unter dem Titel auf deutsch erschienen und ist über den Agni Verlag Webshop, über unseren Amazon-Verlagsshop und natürlich im lokalen Buchhandel erhältlich.