Innere und äußere Fülle in Dein Leben einladen
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Von Michael Nickel
Wie kommt eigentlich Fülle in unser Leben? Diese Frage hört sich einfach an, ist aber bei genauerer Betrachtung gar nicht so einfach zu beantworten. Dafür gibt es viele Gründe. Es beginnt schon damit, dass wir vielleicht gar nicht so genau wissen, was wir eigentlich als Fülle in unserem Leben ansehen und was als Mangel. Es ist immer einfach, die momentane Situation zu betrachten. Spontan fällt den meisten dann so einiges ein, was im Leben fehlt. Geht es Dir auch so? – Doch was ist eigentlich mit dem, was bereits da ist? Sind wir uns der Fülle und dem erfüllenden Gefühl dessen bewusst, was gerade im Augenblick vorhanden ist? Ist es nicht so, dass wir in unserem Streben nach dem, was wir als fehlend empfinden, völlig vergessen, das zu sehen, was bereits da ist?
Nach Fülle streben und Fülle zulassen
Wenn man diesen Gedanken zu Grunde legt, dann wird schnell klar, dass man nach Fülle im Leben nicht nur streben muss, man muss sie auch einfach zulassen. In anderen Worten, indem wir unser Gefühl von Fülle aus dem Bewusstwerden für das, was bereits um uns herum an Erfüllendem da ist, ziehen, erlauben wir es der Fülle zu uns zu kommen, anstatt ihr nachzurennen. Ein Aspekt der Balance von Hereinkommenlassen und Hinausstreben also.
Hört sich das vielleicht ein wenig nach unserer Atmung an? – Die alten Römer mögen es so gesehen haben. Man denke nur an unsere dem Latein entstammenden Worte Inspiration und Aspiration. Inspiration ist eben jener Aspekt, etwas aus dem Außen zu uns kommen zu lassen und dieses beim verinnerlichen als Bereicherung wahrzunehmen – also als äußere Fülle, die zu innerer Fülle wird. Das kann etwas materielles oder immaterielles im Außen sein, was uns inspiriert und in das Gefühl des „freudigen Vollseins“ führt. Kennst Du dieses Gefühl? – Im eigentlichen Sinne heißt lateinisch „inspirare“ jedoch „einatmen“. Auch der Atem und die Atemluft selbst führen beim Einatmen in eine „freudige Fülle“, wenn wir das Geschenk des ewig kommenden Atems mit offenem Bewusstsein wahrnehmen.
Streben bis uns die Puste ausgeht?
Aspiration ist der Aspekt, strebend ins Außen zu gehen – also, etwas erreichen zu wollen. Gleichzeitig heißt lateinisch „aspirare“ wörtlich „ausatmen“. Dieser sprachliche Zusammenhang ist ziemlich interessant, denn was uns oft passiert als „strebende Menschen“, die etwas bestimmtes erreichen wollen, ist doch, dass wir uns so verausgaben, dass uns „die Puste auszugehen droht“. Es ist dann fast so, als würde man weiter und weiter und weiter ausatmen, auch wenn man eigentlich seine Ausatemkapazität schon längst erreicht hat. Eins müssen wir im Leben eben akzeptieren: Wir können nicht unendlich ausatmen und nach außen streben. Irgendwann müssen wir das Einatmen zulassen, die Inspiration von außen in uns hineinblasen lassen. Sowohl als Atem, der uns nährt, als auch im mentalen Ruhen im Augenblick, der uns erlaubt, die Schönheit und Fülle der Welt bewusst zu machen und als Geschenk in uns aufzunehmen. So finden wir zumindest für einen Moment Ruhe vor dem Streben nach der von uns gewählten Fülle – und wir finden uns im annehmen jener anderen Fülle, die uns ganz ohne Streben vom Universum, der Natur, dem Göttlichen – oder wie auch immer Du die Quelle dieses Geschenkes nennen möchtest – bedingungslos und ohne aktives Zutun gegeben wird.
Ein bedingungsloses Geschenk zulassen
In der Natur kann man sicher dieses bedingungslose Geschenk zu jeder Jahreszeit und in jedem Aspekt finden, doch für viele von uns ist gerade der Herbst eine Zeit der äußeren Fülle, mit der Haupternte des Jahres in der Landwirtschaft, den Früchten, dem Gemüse und den Nüssen aus Garten, Feld und Wald. Manches davon entsteht einfach so, anderes entsteht aus einer Kombination von Streben und Geschehen lassen. Nichts davon entsteht jedoch aus reinem menschlichen Streben.
Zuviel des Strebens erweist sich sogar im großen Ganzen als schädlicher im Vergleich dazu, die Balance von aktivem Einsatz und Geduld zu finden. Unsere moderne konventionelle Landwirtschaft ist ein gutes Beispiel dafür. In unserem Streben nach mehr und mehr erzwingen wir zwar kurzfristig höhere Erträge, aber der langfristige Preis ist das Auslaugen der Böden, die immer höher werdende CO2-Emission pro Ertrag, die immer weiter zurückgehende Vielfalt in der Natur. Wenn wir in einem solchen System einfach weitermachen, geht im System selbst irgendwann die Puste aus. Wir müssen also sowohl als einzelne Menschen als auch als Menschheit eine neue Balance finden. Eine Balance aus Inspiration und Aspiration, aus dem Geschehenlassen und dem Streben, aus dem Wahrnehmen vorhandener Fülle und Fördern von Umständen, die „fehlende Fülle“ zu uns bringen.
Ausgleich und Balance finden im Yoga-Üben, wie auch im gesamten Leben
Yoga-Praxis, in all ihren Facetten kann uns auf der persönlichen Schiene helfen, diese Balance zu finden. Energetisch hat diese Balance im Ayurveda und der Yoga-Psychosomatik auch einen Namen: Samana. Es ist der energetische Aspekt, der in den Ausgleich und damit ins Gleichgewicht führt. Das steckt schon im Namen, denn „sama“ bedeutet „gleich“. Im Üben ist es der Aspekt der „gleichförmigen Bewegung“, der in den Ausgleich führt. Im Yoga nennt man dies „Samavritti“ und es bedeutet wörtlich genau das: „gleichförmige Bewegung“. Dies wird im Üben insbesondere auf den Atemfluss – also die gleichlange und gleichmäßige Ein- und Ausatmung – bezogen. Doch man kann es auch auf die Art des körperlichen Bewegens im Üben anwenden, wie es in vielen Yoga-Spielarten und auch in anderen Bewegungssystemen praktiziert wird.
Zufriedenheit kommt von „Frieden“
Ich gehe hier noch einen Schritt weiter und wünsche uns allen ein Leben, das von Samana und Samavritti durchdrungen ist: Balance und gleichwertiger Ausdruck im passivem Wahrnehmen der Schönheit und der Fülle der Welt, ebenso wie im aktiven Streben nach dem, was uns lieb, teuer und wichtig ist, also jene Fülle, die momentan noch nicht da ist, jedoch realistisch erreichbar für uns ist. Lehne Dich zurück, betrachte Dich und die Welt, und lass beides zu: Inspiration und Aspiration. In dieser Balance der beiden wirst Du den persönlichen Frieden und die Zufriedenheit mit dem Sein, im besten Sinne, finden.
Herzlichst, Dein
Michael