Das Geschenk spiritueller Tradition: Führung und Inspiration

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Lesedauer 5 Minuten

Von Aradhana Petryszak

Wenn wir uns auf unbekanntes Terrain begeben, ist es beruhigend, einen Führer zu haben. Das ist es, was uns eine spirituelle Tradition bietet. Wenn Fragen auftauchen und wir auf Hindernisse stoßen, können wir uns an diejenigen wenden, die vor uns gegangen sind, um Inspiration und Anleitung zu erhalten. Die großen Weisen des Himalaya, angefangen bei den vedischen Sehern bis hin zur Neuzeit, hatten mit den gleichen Problemen zu kämpfen, mit denen wir alle zu kämpfen haben. Und als sie die Hindernisse überwunden hatten, die zwischen ihnen und der Selbstverwirklichung standen, gestalteten sie den Weg für diejenigen, die ihnen nachfolgten. Indem sie die Lehren von Generation zu Generation überlieferten, helfen diese Weisen, die Suchenden zur höchsten Wirklichkeit zu führen.

Die spirituelle Suche kartieren

Jede der Geschichten der Weisen, die wir hören oder lesen, trägt eine einzigartige Botschaft, die Sucher auf allen Ebenen inspirieren wird, denn sie zeigen, wie selbst diese großen verwirklichten Wesen ihre Momente des Zweifels und der Verzweiflung hatten – und sie überwanden. Es gab Narada, der andere die Kunst des Glücks lehrte, nur um zu erkennen, dass er selbst nicht glücklich war. Prinz Rama fiel in eine tiefe Depression und wanderte jahrelang umher auf der Suche nach innerem Frieden.

Parashurama, ein großer Krieger, war frustriert, fühlte sich völlig niedergeschlagen und hoffnungslos. Vidyaranya Yati fragte sich, was mit ihm nicht stimmte, weil er nach mehr als achtzig Jahren intensiver Praxis keine direkte Erfahrung mit der Wahrheit gemacht hatte. Madhusudana Sarasvati, ein brillanter Philosoph des Nicht-Dualismus, fühlte sich innerlich leer und sehnte sich heimlich nach einer direkten dualistischen Erfahrung des Göttlichen. Und Swami Rama brach immer wieder seine Praxis, weil er seinen Zorn nicht immer kontrollieren konnte.

Diese müden Reisenden fanden jeweils die Hilfe eines Führers, der ihre Verwirrung aufklärte und sie dazu inspirierte, ihre spirituelle Suche fortzusetzen. Systematisch, Schritt für Schritt, erklärten die Meister, wie man die Hindernisse, die im Weg stehen, überwindet. Habe Geduld, würden sie sagen. Trainiere deinen Körper, Geist und Sinne, habe Glauben, studiere die Schriften, suche die Gesellschaft der Weisen, praktiziere die Nicht-Anhaftung, meditiere! Unternimm alle möglichen Anstrengungen und gib dich dann dem göttlichen Willen hin. Nimm jeden Moment so an, wie er sich darstellt, und sieh ihn als Gelegenheit, dein Bewusstsein zu erweitern, bis du vollständig offen und vorbereitet bist. Dann, wenn du es am wenigsten erwartest, wird die Gnade anbrechen und du wirst die Einheit mit dem Göttlichen erfahren.

Weisen für jede Zeit und jeden Ort

Jeder dieser Suchenden wurde zu einem Kanal, durch den die alten Lehren flossen, um sie auf ihre eigene Zeit und ihren eigenen Ort anzuwenden. Für mich war Swami Rama dieser Kanal. Als ich ihn 1978 zum ersten Mal traf, wusste ich nichts über die Tradition der Himalaya-Meister. Alles, was ich wusste, war, dass ich, wenn ich um ihn herum war, ein Gefühl von tiefer Stille und Frieden empfand. Und als ich ihm zuhörte und ihn mit seinen Schülern beobachtete, wusste ich in meinem Herzen, dass ich meinen Lehrer gefunden hatte.

Swamiji kümmerte sich sehr um seine Schüler und unterrichtete unermüdlich im In- und Ausland. Ganz gleich, um welches Thema es in seinem Vortrag ging, er betonte immer die gleichen grundlegenden Punkte: „Setz dich mit geradem Kopf, Hals und Rumpf hin. Praktiziere Zwerchfellatmung. Diszipliniere deinen Körper, deinen Geist und deine Sinne. Lerne dich selbst auf jeder Ebene kennen. Sei glücklich. Lass deine Handlungen durch Liebe geschmeidig werden. Lass dich nicht an die Früchte deiner Taten binden. Übe, übe, übe!“ Während wir nach fortgeschrittenen Praktiken riefen, lehrte er uns Jahr für Jahr die selben Grundlagen, weil er wusste, dass die Beherrschung dieser Grundlagen fortgeschrittene Praxis war. Und diejenigen, die verstanden, wussten, dass die wahren Lehren ohne Worte gegeben wurden.

Wir wurden von Swamiji in vielerlei Hinsicht geführt. Er war ein praktischer Lehrer, der Situationen geschaffen hat, in denen die Schüler lernten, selbst zu denken – und die Erfahrung war nicht immer angenehm. Auf keinen Fall wollte Swamiji , dass wir von irgendjemandem oder irgendetwas Äußerem abhängig sind, auch nicht von ihm. Er ermutigte uns, nach innen zu gehen, um uns mit unserer inneren Wahrheit zu verbinden. „Meditation“, würde er sagen, „kann dir das geben, was dir nichts anderes geben kann: sie führt dich zu dir selbst.“

Gäste, die durch diese Welt schreiten

Er erinnerte uns ständig daran, dass wir nur Gäste sind, die diese vergängliche Welt durchqueren. Wir sollten es genießen, betonte er, ohne zu vergessen, dass der wahre Sinn des Lebens darin besteht, in unsere ewige Heimat zurückzukehren. Das menschliche Leben, so sagte er, ist ein Geschenk, und wir sollten diese wunderbare Gelegenheit nicht verpassen, unsere göttliche Natur zu verwirklichen.

Wurde Swamiji gefragt, was wir für ihn tun könnten, lächelte er sanft und sagte: „Sei glücklich.“ Für ihn war der Weg zum Glück durch selbstlosen Dienst – durch “ geben, geben, geben! Ohne etwas dafür zu erwarten „. Er fügte hinzu, dass dies ein Geschmack sei, der kultiviert werden müsse, aber wenn wir das tun – so pflegte er zu sagen – werden wir aus der Quelle der inneren Freude trinken.

Egal wie viel er von sich selbst gab, die Lorbeeren für das, was er tat, nahm Swamiji nie an. Er erzählte uns immer wieder, dass das Wissen, welches er mitbrachte, durch eine lange Reihe von verwirklichten Weisen bis in die Gegenwart gefiltert worden sei. Ihre alten Lehren sind ein klarer Strom offenbarter Wahrheit, der fortwährende Weisheit in die Köpfe und Herzen aufrichtiger Schüler gießt. Swamijis Lehren sind eine moderne Verbindung zu dieser großen Tradition.

Üben, Üben, Üben

Im Westen wurde Yoga allzu oft auf seine physische Komponente reduziert – auf eine Reihe von Bewegungen und Haltungen, die unsere körperliche Gesundheit und unser Wohlbefinden verbessern. Aber die zugrunde liegende Philosophie des Yoga ist viel breiter und tiefer. Sie umfasst einen ganzheitlichen Ansatz, der Harmonie und Balance für Körper, Geist und Seele auf allen Ebenen schafft. Diese Lehren sind heute so aktuell wie vor Tausenden von Jahren. Die Führer sind da und warten darauf, uns zu helfen. Alles, was wir tun müssen, ist üben, üben, üben.

 

Dieser Artikel basiert auf einem Vorwort zu „Die Weisheit der Meister des Himalayas“ von Pandit Rajmani Tigunait (Agni Verlag 2019).

Übersetzt von Michael Nickel

 

Irene (Aradhana) Petryszak
Irene (Aradhana) Petryszak

Irene Petryszak war von 1996 bis 2008 Vorsitzende des Himalayan Institute und war leitende Redakteurin der Zeitschrift Yoga International. Sie hat einen Master-Abschluss in Östlicher Philosophie und studiert und praktiziert Yoga seit über 30 Jahren in den Vereinigten Staaten und Indien unter der Leitung von Swami Rama und Pandit Rajmani Tigunait. Sie unterrichtet Meditation und Yoga-Philosophie am Himalayan Institute.

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