Stephanie Schönberger: „Weil nach jedem Gewitter die Sonne wieder scheint“
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Interview mit Stephanie Schönberger
In welcher Form arbeitest Du mit Menschen?
Ich bin Yogalehrerin, unterrichte Gruppen, bilde angehende Yogalehrer*innen aus, leite Jahresgruppen für Menschen, die sich intensiver mit Yoga beschäftigen möchten – ohne gleich Lehrer**in werden zu wollen. Inzwischen biete ich auch online Kurse an. Über das Yoga Sutra und über gelebte Yoga-Philosophie.
Als was siehst Du Dich in dieser Funktion?
Als jemand, der sehr positive Erfahrungen mit diesem alten Wissen gemacht hat und es jetzt weitergibt, in der Hoffnung, dass es auch andere berührt und deren Leben bereichert.
Wenn Du an Deine Berufung oder Dein Dharma denkst, welcher Aspekt Deiner Arbeit deckt dies ab und in welcher Weise?
Keine Ahnung, was meine Berufung ist. So denke ich nicht. Ich merke, dass mich die Yoga-Philosophie, beziehungsweise die Psychologie des Yoga vom ersten Moment an zutiefst berührt und bewegt und in der Folge mein Leben verändert hat. Und dass es mir wirklich große Freude und Zufriedenheit schenkt, wenn ich mit Menschen, die ebenfalls an diesen Themen interessiert sind, diese Ideen und Sichtweisen, dieses alte Erfahrungswissen vorstellen und näher bringen kann. Und wenn wir uns hinterher alle ein bisschen besser, ein bisschen inspirierter, ein bisschen verbundener, ein bisschen friedlicher fühlen, dann ist das doch schon eine ganze Menge, über die man sich freuen kann. Ich tu es zumindest jedes mal sehr.
Wenn Du an die Menschen denkst, die zu Dir kommen, was sind wohl die herausforderndsten Themen mit denen diese derzeit kämpfen?
Die Ungewissheit, wie lange es noch so weitergeht. Die Vereinsamung. Die finanziellen Belastungen. Die Sorgen, vor einer unberechenbaren Zukunft. Die Risse, die durch Beziehungen und Freundschaften gehen. Die oft unbewusste Trauer darüber, dass die Art, wie gelebt wurde, so ersteimal vorbei ist.
In welcher Weise unterstützt Du die Menschen, die zu Dir kommen, bei diesen Herausforderungen?
Ich nehme ihre Sorgen ernst, weil sie ja ganz real und echt gefühlt sind. Oft hilft es ja, wenn man einfach mal sagen kann: „Es fällt mit gerade schwer. Ich komme nicht immer gut klar. Mir fehlen Begegnungen. Ich habe Angst davor, wie es weitergeht.“ Und wenn der Raum da ist, das alles auszusprechen, ohne belehrt oder mit psychologischen Kalendersprüchen, die ja manchmal durchaus treffend, aber nicht in jedem Moment passen sind, dann kann das unglaublich erleichternd und wohltuend sein. Und dann kann man sanft, wenn es passt, den Fokus auf das Gute lenken, das Machbare, das Hoffnungsvolle. Und manchmal muss man einfach auch mal zustimmen und sagen: „Ja, alles wirklich blöd gerade.“ Weil es so ist.
Und natürlich hiflt ihnen die Asana-Praxis. Deswegen kommen die meisten ja in die Stunde. Ich unterrichte in der Tradition von Sri T. Krishnamacharya, also in einer Weise, die die Übungen an die individuellen Möglichkeiten des Übenden anpasst. Das nimmt viel Druck, einer vorgegebenen Form entsprechen zu müssen und lädt zu einer fühlenden Achtsamkeit ein, um dann eigenverantwortlich entsprechend variieren zu können. Dieses selbstbewusste Handeln kann ein Gefühl der Selbstermächtigung und Handlungsfreiheit schenken, was in Zeiten, in denen von Außen sehr viel vorgegeben und eingeschränkt wird, ungemein wohltuend sein kann. Ich freue mich übrigens immer sehr, wenn TeilnehmerInnen sich schon vor Savasana hinlegen, weil sie für sich festgestellt haben, dass das Nichtstun gerade genau das ist, was ihnen gut tut.
Wie hat sich Deine Arbeit durch die Pandemie verändert?
Ich bin jetzt viel mehr online als offline. Und habe weniger Gruppenstunden, dafür Zeit, Online-Konzepte zu entwickeln.
Wie kommst Du mit Deinen persönlichen und familiären Herausforderungen durch die Pandemie zurecht? Wie hilft Dir dabei Deine persönliche Praxis?
Meistens wirklich gut. Anfangs, beim ersten Lockdown, hatte ich drei Tage ziemlich Angst und konnte nicht schlafen. Machte mir Sorgen um meine Eltern, meine Familie, mein Studio, die Gesellschaft und was Corona mit ihr machen wird. Dann habe ich mich nach der dritten schlaflosen Nacht nachts auf die Matte gesetzt und meditiert, alle Ängste zugelassen, genauso alle weiteren Gefühle. Tränen sind geflossen. Dann war es gut. Ich konnte schlafen und habe den ganzen nächsten Tag mit meinem neunjährigen Sohn in der Natur verbracht. Das hat mich dann wieder geerdet.
Als Familie haben wir gleich am Anfang gemeinsam besprochen, dass es sicherlich anstrengend und fordernd für alle werden kann und wie wir damit umgehen möchten. Wie wir die Rückzugs- aber auch Nähebedürfnisse achten und respektieren und wahrnehmen können. Wie wir miteinander sprechen wollen und dass wir versuchen wollen, einen friedlichen und wertschätzenden Umgangston zu haben, auch wenn die Nerven manchmal blank liegen werden. Das hat wirklich gut funktioniert. Und tut es immer noch.
Trotzdem geht all das nicht spurlos an uns vorbei. Dem 9-Jährigen fehlt der Fußballverein, der 14-Jährigen jetzt wieder die Schule und ihre Freundinnen. Uns Erwachsenen schon auch der Kontakt zu anderen Menschen, vor allem, seit sich alles im Homeoffice und im leeren Studio abspielt.
Andererseits genießen wir es auch, so viel mehr Zeit füreinander zu haben. Wir haben neulich über die guten Momente in 2020 gesprochen und hatten alle vier so schöne Erinnerungen.
Mir selbst hilft meine tägliche, persönliche Praxis sehr. Chanten, still sitzen, meditieren, im Yoga Sutra oder den Upanischaden lesen. Asanas praktizieren. Atmen. Und dann off the mat versuchen, die Yamas und Nyamas im Alltag zu leben.
Wo holst Du Dir Deine Inspirationen in dieser Zeit? Oder anders gefragt: Wer oder was ist für Dich da?
Ich hole mir Inspiration im Yoga Sutra und den Upanishaden. In Mantras. Und im Eins-zu-Eins-Unterricht bei meinem Lehrer in England. Und immer wieder in der Natur. Wer für mich da ist? Ganz klar meine Familie.
Welche Übung aus Deinem persönlichen Repertoire empfiehlst Du Deinen Teilnehmern am häufigsten in dieser Zeit und warum?
Das Sahanavavatu, dieses alte vedische Shanti-Mantra, täglich zu singen. Und täglich drei Minuten ganz still zu sitzen. Ohne zu schlucken, ohne sich zu bewegen. Das holt die zerstreute Energie ganz schnell wieder zurück in den Körper und macht wunderbar ruhig.
Warum lohnt es sich immer, mit Hoffnung in die Zukunft zu blicken?
Weil, so kitschig das klingt, nach jedem Gewitter die Sonne wieder scheint, nach jeder Nacht der Tag kommt, auch in der größten Asphaltwüste das Gras wieder wachsen wird. Und weil sich wirklich jedes Lebewesen gut fühlen möchte und wir als Menschen in der Lage sind, furchtbar zu sein, aber auch großartiges als Gemeinschaft zu schaffen.
Herzlichen Dank Liebe Stephanie, dass Du Dir die Zeit genommen hast, Deine Positivität mit uns zu teilen und uns an Deiner inspirierenden Sicht auf die Welt teilhaben zu lassen!
Zur Person: Stephanie Schönberger ist Yogalehrerin und Inhaberin des Studios 8sam Yoga in Kaufbeuren (www.8sam-yoga.de) Dort findest Du auch alle Infos zu ihren Online-Stunden. Auf Facebook findest Du sie hier.
Fotos: Armin Schönberger/8sam Yoga